Auf Antrag des Vorsitzenden des Schöffenwahlausschusses beim Amtsgericht Bad Iburg hat das Oberlandesgericht Oldenburg jetzt einen Schöffen seines Amtes enthoben (Beschluss vom 06.01.2024 – 1 OGs 5/24).
Der Schöffe hatte auf seinem öffentlichen Account der Social-Media-Plattform X Nachrichten eingestellt, in denen er den staatlichen Umgang mit kriminellen Ausländern thematisierte. So postete er etwa unter dem 4. August 2024, in dreißig bzw. wahrscheinlich schon in fünf Jahren werde „bei WDR 4 morgens“ (anstelle einer Morgenandacht) „zuerst der Muezzinruf abgespielt“. Unter dem 5. August 2024 schrieb er: „Was trifft aufs Gefängnis und die Schule gleichermaßen zu? Keiner spricht mehr deutsch.“ Am 13. August stellte er die „Deutsche Kultur früher“ der „Deutschen Kultur heute“ gegenüber, indem er – in Bezug auf erstere – Bilder von (vermeintlich) abendländischem „Kulturgut“ (Coca Cola pp.) postete und ihnen ein Lichtbild gegenüberstellte, das zahlreiche Muslime beim Beten in einer Moschee zeigt. Am 19. August 2024 kommentierte er eine Schlagzeile „Flüchtlinge kehren um: Schwedens Migrationskurs zeigt Wirkung“ mit „Die sind jetzt alle bei uns.“. Am 24. August 2024, einen Tag nach dem Messeranschlag von Solingen, postete er, bezogen auf die Herkunft des Täters und den Aufruf der Bundesinnenministerin Faeser, den Täter „mit der vollen Härte des Rechtsstaats zu bestrafen“, das Bild einer (fiktiven) Gewürzmischung namens „schärfste Verurteilung“ des (fiktiven) Herstellers „Nahostmann“ (anstatt „Ostmann“) und kommentierte dies mit „Jetzt neu im Gewürzregal, die Nancy Faeser Edition“ sowie mit „messerscharf im Abgang“. Am 31. August 2024 konstatierte er, der deutsche Rechtsstaat sei zum „Gespött der Nation“ geworden. Am 12. September 2024 versah er einen Artikelauszug über einen kurz nach seiner Abschiebung wieder in Deutschland eingetroffenen kriminellen Marokkaner mit der Anmerkung „Erst steuerfinanzierter Urlaub in der Heimat mit Handgeld und jetzt wieder Bürgergeld. Die harten Maßnahmen wirken.“. Am 5. Oktober 2024 postete er eine Artikelüberschrift „Kinder im Freibad Traiskirchen sexuell missbraucht: 18 Monate Haft“ und fügte hinzu: „Das müssten mindestens 18 Jahre sein oder in diesem Falle die Abschiebung“.
Nachdem die Neue Osnabrücker Zeitung über die Social-Media-Aktivitäten des Schöffen berichtet hatte, zeigte er den Sachverhalt vor Beginn eines Prozesses gegen einen rumänischen Staatsangehörigen dem Vorsitzenden Richter des Schöffengerichts an, der ihn sodann von der Ausübung des Richteramts in dem konkreten Verfahren ausschloss.
Auf Antrag des Vorsitzenden des Schöffenwahlausschusses beim Amtsgericht Bad Iburg hat das Oberlandesgericht Oldenburg den Schöffen jetzt gemäß § 51 Absatz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) seines Amtes enthoben.
Nach § 51 GVG ist Schöffe seines Amtes zu entheben, wenn er seine Amtspflichten gröblich verletzt hat. Das sei, so das Oberlandesgericht Oldenburg, der Fall.
Eine gröbliche Amtspflichtverletzung im Sinne des § 51 Abs. 1 GVG liege in einem Verhalten, durch das der Schöffe zeige, dass er aus objektiver Sicht eines verständigen Verfahrensbeteiligten für die Ausübung des Schöffenamtes ungeeignet ist, weil er nicht (mehr) die Gewähr dafür biete, unparteiisch und nur nach Recht und Gesetz zu entscheiden.
Aus Sicht eines verständigen objektiven Verfahrensbeteiligten sei nach den Social-Media-Posts zu befürchten, dass der Schöffe zukünftig seine Furcht vor Überfremdung und Islamisierung in seine Entscheidungen einfließen lassen werde, anstatt ausschließlich nach Recht und Gesetz zu entscheiden und insbesondere das in
Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes verankerte Diskriminierungsverbot nach Rasse, Herkunft und Glaube zu beachten. Diese Besorgnis bestehe vor allem vor dem Hintergrund seiner öffentlichen, gegen den „deutschen Rechtsstaat“ gerichteten Bemerkung vom 31. August 2024 in Verbindung mit seinem auf den Anschlag von Solingen bezogenen Post vom 24. August 2024. Mit diesem Post habe der Schöffe nicht nur die Forderung der Bundesinnenministerin, den Täter „mit der vollen Härte des Rechtsstaats zu bestrafen“, ins Lächerliche gezogen, sondern auch einen Teil der Bevölkerung, nämlich jedenfalls aus dem „nahen Osten“ stammende (junge) Männer in einer Weise pauschal diskreditiert, die die Anlass zur Sorge gibt, dass er ihnen gegenüber die für die Ausübung seines Amtes erforderliche Neutralität wird vermissen und sich zumindest insoweit nicht zu seiner Pflicht zur Verfassungstreue werde leiten lassen.
Vor diesem Hintergrund müsse auch die eine Woche später erfolgte Äußerung vom 31. August 2024 betrachtet werden, der deutsche Rechtsstaat sei zum Gespött der Nation geworden. Objektive Verfahrensbeteiligte müssten, so das Oberlandesgericht, in der Gesamtschau den Eindruck gewinnen, der Schöffe halte das Vorgehen staatlicher Organe nach Recht und Gesetz im Hinblick auf „kriminelle Ausländer“ für lächerlich und erachte den rechtsstaatlichen Umgang mit diesen für nicht (mehr) ausreichend. Für eine solche geistige Haltung des Schöffen spreche auch sein Post vom 5. Oktober 2024, mit dem er in Bezug auf einen seines Erachtens „abzuschiebenden“ Täter eines sexuellen Kindesmissbrauchs eine Freiheitsstrafe von 18 Jahren (anstelle von „18 Monaten“) als „mindestens“ erforderlich bezeichnet hatte. Insofern könne der Schöffe sich auch nicht auf sein Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes berufen. Denn dieses Grundrecht werde durch die, auch für ehrenamtliche Richter geltende, Verfassungstreuepflicht beschränkt. Die Posts des Schöffen legten in ihrer Gesamtheit die Gefahr, dass er sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen und Ausländer entgegen dem Diskriminierungsverbot deutlich benachteiligen wird, so nahe, dass seine Meinungsfreiheit im Ergebnis zurückzutreten habe. Vor allem mit seiner plakativen Forderung einer Freiheitsstrafe von mindestens 18 Jahren, also einer, die gesetzliche Höchststrafe von 15 Jahren Freiheitsstrafe überschreitenden und damit unzulässigen Strafe, verbunden mit der Forderung nach der „Abschiebung“ des Täters, habe der Schöffe ein derart deutliches Signal gesetzt, dass seine Amtsenthebung nicht zu vermeiden gewesen sei.
OLG Oldenburg, 17.01.2025