Das Oberlandesgericht München – 9. Strafsenat – unter Vorsitz von Frau VRiOLG Dagmar Illini hat heute nach sechstägiger Hauptverhandlung die Angeklagte Jennifer W. wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit in Form der Versklavung mit Todesfolge u.a. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Damit blieb der Senat 6 Monate unter dem Antrag des Generalbundesanwalts. Für den Hauptvorwurf des Verbrechens gegen die Menschlichkeit in Form der Versklavung mit Todesfolge und weiterer tateinheitlich verwirklichter Delikte hat der Senat eine Einzelstrafe von 13 Jahren ausgesprochen. 

Die Angeklagte war bereits zuvor durch den 8. Strafsenat des Oberlandesgerichts München mit Urteil vom 25.10.2021 wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland, wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit durch Versklavung mit Todesfolge u.a. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Jahren verurteilt worden. Auf die Revision des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof hatte der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs diese Entscheidung mit Urteil vom 09.03.2023 im Rechtsfolgenausspruch weitgehend aufgehoben und im Umfang der Aufhebung an einen anderen Senat des Oberlandesgerichts München zurückverwiesen. Die Revision der Angeklagten war durch Beschluss verworfen worden. Der Schuldspruch aus dem Urteil des 8. Strafsenats war daher rechtskräftig, ebenso wie die Einzelstrafe von 2 Jahren 6 Monaten wegen eines Falls der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland.

In der neuen Verhandlung war daher nur noch über die Einzelstrafe für den Hauptvorwurf des Verbrechens gegen die Menschlichkeit – tateinheitlich verwirklicht mit einer Reihe anderer Delikte – zu befinden und die Gesamtfreiheitsstrafe unter Einbeziehung der rechtskräftigen Einzelstrafe zu bilden. Der 9. Strafsenat hatte dabei von dem vom 8. Strafsenat des Oberlandesgerichts München festgestellten Sachverhalt auszugehen.

Bei der Strafzumessung ist der 9. Strafsenat vom Strafrahmen des § 7 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 VStGB – lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe von 10 bis 15 Jahre – ausgegangen. Einen minder schweren Fall hat der 9. Strafsenat – anders als der 8. Strafsenat – nicht gesehen. Das gesamte Tatbild rechtfertige die Annahme eines minderschweren Falles nicht. 

Zugunsten der Angeklagten hat der Senat insbesondere berücksichtigt, dass die Angeklagte nicht vorbestraft war, die Tat länger zurückliegt, und die Angeklagte sich zuletzt im Wesentlichen geständig zeigte und ihr Bedauern äußerte. Außerdem hat der Senat die lange Verfahrensdauer und die dadurch bedingten Belastungen sowie die seit 5 Jahren andauernde Untersuchungshaft mit besonderen Beschränkungen in Terrorismusverfahren zugunsten der Angeklagten gewürdigt. 

Zu ihren Ungunsten wertete der Senat die Länge des Zeitraums der Versklavung der beiden Opfer, die Tatsache, dass die Dauer der Versklavung für ihre Opfer nicht absehbar war, und die menschenverachtende Handlungsmotivation der Angeklagten, die der Politik des sog. Islamischen Staates folgend die Vernichtung der jesidischen Religion und der Versklavung des jesidischen Volkes zum Ziel hatte. Zu ihren Lasten wurde auch berücksichtigt, dass die Angeklagte durch dieselbe Handlung mehrerer weitere, sehr gewichtige Straftatbestände verwirklicht hat. Auch das Nachtatverhalten sprach zu ihren Ungunsten. Die Angeklagte hatte nach dem Tod des Mädchens der Mutter und Nebenklägerin eine Pistole an den Kopf gehalten und mit Erschießung gedroht, falls diese nicht aufhöre, um die Tochter zu weinen. Zudem leidet die Geschädigte und Nebenklägerin des Verfahrens bis heute an psychischen Problemen, die essenziell auf die von der Angeklagten mitverursachten Tötung des Kindes der Nebenklägerin zurückgehen.

Von der nach dem Strafrahmen des § 7 Abs. 3 VStGB auch möglichen Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe hat der Strafsenat abgesehen, weil nach den bindenden Feststellungen des 8. Strafsenats ein besonders schwerer Fall, der eine lebenslange Freiheitsstrafe als angemessen erscheinen lassen würde, nicht gegeben ist.

Die Fortdauer der Untersuchungshaft wurde angeordnet.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Angeklagten und dem Generalbundesanwalt steht das Rechtsmittel der Revision zu, das binnen einer Woche ab heute eingelegt werden müsste.

(c) OLG München, 29.08.2023

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