Am 18. September 2024 wurde im Oberlandesgericht Köln vor dem historischen Schifffahrtssaal eine Gedenktafel zur Erinnerung an die Demütigung jüdischer Juristen im Gerichtsgebäude Reichenspergerplatz im Jahre 1933 enthüllt. Hier waren am 31. März 1933 jüdische und „jüdisch aussehende“ Juristen von SA- und SS-Männern aus laufenden Gerichtsverhandlungen, Büros und auf den Gerichtsfluren „verhaftet“ und in offenen Müllautos zum Polizeipräsidium Köln transportiert worden.
Präsident des Oberlandesgericht Dr. Bernd Scheiff erinnerte an die furchtbaren Szenen, die sich im historischen Treppenhaus abgespielt hatten. Sie seien eine eindrückliche Mahnung an alle Juristen, aber auch an die Bürgerinnen und Bürger, dass der Rechtsstaat aktiv verteidigt werden müsse. Dr. Scheiff dankte der Synagogen-Gemeinde Köln für ihre engagierte Mitwirkung bei der Erarbeitung des Texts der Gedenktafel.
Das Vorstandsmitglied der Synagogen-Gemeinde Köln, Dr. Michael Rado, machte deutlich, dass es im März 1933 an Juristen gefehlt habe, die der Entrechtung ihrer jüdischen Berufskollegen aktiv entgegengetreten wären. Die heutige Veranstaltung zeige, dass die Justiz in Köln die Vergangenheit ernstnehme. Dr. Rado erinnerte an die große Rolle des Rechts in der jüdischen Religion, wie sie sich in den Zehn Geboten zeige.
Der Präsident der Rechtsanwaltskammer Köln, Dr. Thomas Gutknecht, verwies auf die mangelnde Solidarität der Kölner Rechtsanwaltschaft mit den Opfern der Willkürmaßnahmen im Jahr 1933. Sie hätten sich vielmehr willfährig dem rechtsförmlichen Unrecht gebeugt. Es sei richtig, den Opfern auch nach mehr als 90 Jahren nach den Geschehnissen eine Stätte dauerhafter Erinnerung und Mahnung zu bereiten.
Der Vorsitzende des Kölner Anwaltverein e.V., Rechtsanwalt Markus Trude, zeigte sich fassungslos darüber, dass die Mitglieder des Kölner Anwaltvereins gegen die Vorgänge im Jahre 1933 nichts unternommen hätten und sich nachfolgend ohne Gegenwehr hätten gleichschalten lassen. Die Anbringung der Gedenktafel sei ein wichtiger Baustein bei der auch heute noch unvollständigen Aufarbeitung der Geschichte der Anwaltschaft in der Zeit des Nationalsozialismus.
Generalstaatsanwalt Thomas Harden verwies darauf, dass an Einzelschicksalen die besondere Verpflichtung für Justiz und Anwaltschaft greifbar werde, den geschichtlichen Auftrag im Sinne eines „Nie wieder!“ zu beherzigen und mit Leben zu füllen. Er verwies auf das Schicksal des 1872 geborenen Ersten Staatsanwalts Dr. Georg Krämer. Dr. Krämer war bei der – damals noch zum Bezirk der Generalstaatsanwaltschaft Köln gehörenden – Staatsanwaltschaft Koblenz erfolgreich als Staatsanwalt tätig. Er wurde später zwangspensioniert, entrechtet und gedemütigt. Dr. Krämer starb 1942 im Konzentrationslager Theresienstadt.
Als Ehrengast war der emeritierte Professor der Mailänder Universität Dr. Giorgio Sacerdoti anwesend. Seine Familie hat mehrere Opfer des Holocaust zu beklagen, darunter seinen in Köln als Rechtsanwalt tätigen Großvater Dr. Siegmund Klein. Sacerdoti hatte anlässlich des 90. Jahrestages der Geschehnisse im Oberlandesgericht Köln einen Vortrag gehalten und sich für den nun geschaffenen Erinnerungsort eingesetzt.
Nach der Enthüllung der Gedenktafel sprach Dr. Michael Rado das traditionelle „Kaddish“-Gebet („Totengebet“) zur Erinnerung an die Verstorbenen.
Die Gedenktafel ist dauerhaft vor dem Eingang des historischen Schifffahrtssaals des Oberlandesgerichts Köln (Saal 301) angebracht und für Besucher frei zugänglich. Vor dem Saal erinnert bereits eine ähnlich gestaltete Plakette an die Tätigkeit des Obersten Gerichtshofs der Britischen Zone zwischen März 1948 und September 1950. Die Richter dieses höchsten Gerichtshofs in Straf- und Zivilsachen für die Länder Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein hatten maßgeblichen Anteil an der Aufarbeitung des nationalsozialistischen Unrechts nach dem 2. Weltkrieg. In dem Gerichtsgebäude am Reichenspergerplatz waren damals auch die Geschäftsräume und Sitzungssäle der Zivilkammern des Landgerichts Köln und der Zivilabteilungen des Amtsgerichts Köln untergebracht.
Die Inschrift der Gedenktafel aus gebürstetem Edelstahl lautet:
„Aus Anlass des Jahrestages am 31. März 2023
Wir gedenken unserer jüdischen Kollegen, die als Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte im Zusammenhang mit dem vor 90 Jahren von SA und SS verübten Sturm auf dieses Gebäude in Haft genommen und sodann unter entwürdigenden und demütigenden Bedingungen durch die Stadt zum Polizeipräsidium verbracht wurden.“
Sie ist von dem Präsidenten des Oberlandesgerichts Köln, dem Generalstaatsanwalt in Köln, dem Präsidenten der Rechtsanwaltskammer Köln und dem Vorsitzenden des Kölner Anwaltverein e.V. unterzeichnet.
(c) OLG Köln, 18.09.2024