Auf jeweilige Berufung der Volkswagen AG hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe nach mündlichen Verhandlungen vom 26.4.2022 in sechs Fällen Urteile von Landgerichten aufgehoben und Schadensersatzklagen abgewiesen, die Eigentümer von Fahrzeugen des VW-Konzerns mit dem Motor „EA 288“ gegen VW erhoben hatten. Bei diesem Motor handelt es sich um das Nachfolgemodell des Motors „EA 189“, der im Jahr 2015 aufgrund einer den Prüfstand erkennenden rechtswidrigen „Schummel-Software“, die eine hinreichende Abgasreinigung nur auf dem Prüfstand zuließ, den sogenannten Dieselskandal ausgelöst hatte.
Zur Begründung hatten die Kläger in den nunmehr entschiedenen Verfahren geltend gemacht, sie seien aufgrund versteckter Abschalteinrichtungen in vergleichbarer Weise vorsätzlich sittenwidrig geschädigt worden wie die Eigentümer der mit dem Vorgänger-Motor ausgestatteten Pkws. Dieser Argumentation ist der 8. Zivilsenat nicht gefolgt. Der Senat sieht weder das sogenannte Thermofenster, das die Abgasrückführung zur Abgasreinigung außerhalb eines bestimmten Temperaturfensters reduziert oder abschaltet, als sittenwidrige Abschalteinrichtung im Sinne von § 826 BGB an noch konnte er greifbare Anhaltspunkte für eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch andere geltend gemachte Abschalteinrichtungen wie etwa eine sogenannte Fahrkurvenerkennung feststellen. Insbesondere konnte der Senat jeweils nicht erkennen, dass VW den Vorsatz hatte, die Kläger mit der Konfiguration der Fahrzeuge sittenwidrig zu schädigen, nachdem dieser Motortyp über Jahre hinweg eingehend vom Kraftfahrtbundesamt auf rechtswidrige Abschalteinrichtungen hin untersucht worden ist und es bis heute keinen Grund zu Beanstandungen gesehen hat.
Der Senat hat die Revision jeweils nicht zugelassen. In den vier Verfahren, in denen die Beschwer der Klägerseite 20.000 Euro übersteigt, ist dagegen Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof statthaft. Die beiden anderen Entscheidungen sind rechtskräftig.
Weitere Informationen:
Der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe ist für Berufungen in allen Diesel-Abgasverfahren aus den Landgerichtsbezirken Baden-Baden, Heidelberg, Karlsruhe, Mannheim und Mosbach zuständig, die Fahrzeuge aus dem VW-Konzern betreffen, soweit sie nicht den Motor EA 189 eingebaut haben. Bei den nunmehr entschiedenen Verfahren handelt es sich um sechs von acht beim 8. Zivilsenat des OLG Karlsruhe anhängigen Verfahren, die den Motor EA 288 betreffen und bei denen das zuständige Landgericht der jeweiligen Klage stattgegeben hatte. Von den beiden verbleibenden Verfahren dieser Art ist ein weiteres terminiert; bei dem anderen wurde die Berufungsbegründung seitens der Beklagten verspätet eingereicht, die Beklagte hat einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. In allen weiteren rund 250 Verfahren des Senats, die diesen Motor zum Gegenstand haben, wurden die Klagen von den Landgerichten abgewiesen. Bislang hat der Senat diese Klagabweisungen in der Berufung in den bereits bearbeiteten mehr als 45 Verfahren ausnahmslos gebilligt (siehe etwa Beschluss vom 22.2.2022, 8 U 143/21).
Zu Fahrzeugen des VW-Konzerns mit 3.0 l und größeren Dieselmotoren hat der 8. Zivilsenat ebenfalls eine Rechtsprechung entwickelt. So hat er entschieden, dass die vom Kraftfahrtbundesamt beanstandete sogenannte Aufheizstrategie „A“ in Dieselfahrzeugen mit SCR-Katalysator der Emissionsklasse EU 6 grundsätzlich geeignet ist, eine Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu begründen (siehe etwa Urteile vom 16.7.2021, 8 U 32/20, und vom 11.1.2022, 8 U 85/20), nicht hingegen die sogenannte Restreichweitenstrategie bei der AdBlue-Dosierung oder die insbesondere bei Fahrzeugen der Emissionsklasse EU 5 oft gerügten unterschiedlichen Getriebemodi für den Prüfstand und für die Straße (Urteil vom 22.3.2022, 8 U 177/20).
Der Senat ist darüber hinaus für Diesel-Abgasverfahren von Fahrzeugen des BMW-Konzerns zuständig. In den über 50 beim Senat anhängigen Verfahren haben die Landgerichte die Klagen stets abgewiesen. Der Senat hat dies in den bislang bearbeiteten Berufungsverfahren jeweils bestätigt.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteile vom 26.4.2022 (Aktenzeichen: 8 U 232/21, 8 U 418/21 und 8 U 235/21) vom 29.4.2022 (Aktenzeichen: 8 U 234/21 und 8 U 420/21) und vom 3.5.2022 (Aktenzeichen: 8 U 373/21).
Quelle: Oberlandesgericht Karlsruhe, Pressemitteilung vom 4. Mai 2022