Ein ärztliches Attest mit der Feststellung, dass eine Person „aus medizinischen Gründen bis auf weiteres keine Gesichtsmaske tragen kann“, genügt den Anforderungen der Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg an eine Befreiung von der Maskenpflicht.
Mit dieser Begründung hat der 2. Bußgeldsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe durch Beschluss vom 25. April 2022 ein Urteil des Amtsgerichts Sinsheim vom 6. Juli 2021 aufgehoben, mit dem eine heute 59 Jahre alte Frau wegen Verstoßes gegen die Corona-Verordnung zu einer Geldbuße von 70 Euro verurteilt worden war. Die Betroffene hatte sich am Mittag des 12. Dezember 2020 in einem Einkaufsmarkt in Sinsheim aufgehalten, ohne eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Sie hatte dabei ein am 26. August 2020 von einer Ärztin ausgestelltes Attest vorgelegt, wonach sie „aus medizinischen Gründen bis auf weiteres keine Gesichtsmaske tragen kann“.
Das Amtsgericht Sinsheim hatte darin einen Verstoß gegen die – zur fraglichen Zeit geltende – Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg gesehen. Ein ärztliches Attest könne – so das Amtsgericht – nur von der Maskenpflicht befreien, wenn es „die gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die aufgrund der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung zu erwarten sind und woraus diese im Einzelnen resultieren“ ebenso konkret benenne wie „relevante Vorerkrankungen“ und „auf welcher Grundlage der attestierende Arzt zu seiner Einschätzung gelangt“ sei.
Gegen diese Entscheidung hat das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde der Betroffenen zugelassen, das Urteil des Amtsgerichts aufgehoben und die Betroffene freigesprochen. § 3 Abs. 2 der Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg in der am 12. Dezember 2020 geltenden Fassung habe eine Ausnahme von der Maskenpflicht unter anderem für Personen enthalten, „die glaubhaft machen können, dass ihnen das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aus gesundheitlichen oder sonstigen zwingenden Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist, wobei die Glaubhaftmachung gesundheitlicher Gründe in der Regel durch eine ärztliche Bescheinigung zu erfolgen hat“. Die vom Amtsgericht Sinsheim verlangten gesteigerten Anforderungen an diese ärztliche Bescheinigung waren dieser Regelung nach Auffassung des 2. Bußgeldsenats nicht zu entnehmen und auch vom Willen des Verordnungsgebers nicht gedeckt.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 25.4.2022, Aktenzeichen: 2 Rb 37 Ss 25/22
Vorinstanz: Amtsgericht Sinsheim, Urteil vom 6.7.2021, Aktenzeichen: 14 OWi 140 Js 6649/21
Quelle: Oberlandesgericht Karlsruhe, Pressemitteilung vom 28. April 2022