Der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe hat mit Beschluss vom 10. November 2021 die weitere Untersuchungshaft eines 41 Jahre alten Mannes angeordnet, gegen den der dringende Tatverdacht des mehrfachen Handeltreibens mit Marihuana und Kokain im Kilogrammbereich besteht und gegen den die Staatsanwaltschaft deswegen Anklage zum Landgericht Freiburg erhoben hat. Kein Hindernis hat der Senat darin gesehen, dass sich der dringende Tatverdacht vor allem auf die Erkenntnisse aus der zwischen Tatbeteiligten über den Messengerdienst „EncroChat“ geführten Kommunikation stützt, die französische Ermittlungsbehörden den deutschen Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung gestellt hatten. Der Senat hat damit die Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte bestätigt, die für „EncroChat“-Daten – anders als das Landgericht Berlin in einem Beschluss vom 1. Juli 2021 – kein generelles Beweisverwertungsverbot in einem in der Bundesrepublik Deutschland geführten Strafverfahren gesehen haben.
Die „EncroChat“-Daten, die den Angeklagten belasten, stammen ursprünglich aus einem durch französische Ermittlungsbehörden unter Beteiligung von Eurojust und Europol geführten Ermittlungsverfahren gegen die Betreiber dieses Kommunikationsdienstes. Die französischen Ermittlungsbehörden hatten mit gerichtlicher Genehmigung einen in Frankreich befindlichen Server mit einer Überwachungssoftware infiltriert und so die Daten von insgesamt 32.477 „EncroChat“-Nutzern in 121 Staaten abgefangen, darunter Frankreich und Deutschland.
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat in seinem Beschluss vom 10. November 2021 festgestellt, dass die französischen Behörden bei der Beweiserhebung nicht alle dafür maßgeblichen Rechtsvorschriften beachtet haben. Insbesondere haben sie es zunächst unterlassen, die Bundesrepublik Deutschland darüber zu informieren, dass sich Zielpersonen der Kommunikationsüberwachung auf deutschem Hoheitsgebiet befanden. Dazu wären die französischen Behörden nach den europäischen Rechtshilfevorschriften jedoch verpflichtet gewesen (Artikel 31 Abs. 1 der Richtlinie 2014/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen).
Aus diesem Rechtsverstoß bei der Beweiserhebung folgt jedoch keine generelle Unverwertbarkeit der gewonnenen Erkenntnisse in einem in Deutschland geführten Strafverfahren. Der Senat hat dazu ausgeführt: „Der Rechtsstaat kann sich nur verwirklichen, wenn ausreichende Vorkehrungen dafür getroffen sind, dass Straftäter im Rahmen der geltenden Gesetze verfolgt, abgeurteilt und einer gerechten Bestrafung zugeführt werden. Daran gemessen bedeutet ein Beweisverwertungsverbot eine begründungsbedürftige Ausnahme, die nur nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist.“
Es bedarf daher in jedem Einzelfall einer Abwägung der für und gegen die Beweisverwertung sprechenden Gesichtspunkte. Für eine Verwertung spricht vorliegend, dass die Beweiserhebung in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall nach deutschem Recht zulässig gewesen wäre. Außerdem geht es um die Aufklärung und Verfolgung schwerer Straftaten der organisierten Kriminalität, die auf andere Weise nicht zu bewerkstelligen wäre. Auch ist keine gezielte Missachtung der komplexen rechtshilferechtlichen Vorschriften erkennbar. Umgekehrt ist zwar zu berücksichtigen, dass in die grundrechtlich besonders sensiblen Bereiche des Fernmeldegeheimnisses und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen wurde. Dies wird allerdings dadurch relativiert, dass der Angeklagte diesen Schutz bewusst zur Begehung schwerer Straftaten missbraucht hat und nach den gesamten Umständen von vornherein nicht zu erwarten war, dass mit der Überwachung schutzbedürftige sensible Daten gesammelt werden könnten. Insbesondere gab es gar keine realistische Möglichkeit, die überwachten Geräte für eine konventionelle Kommunikation zu verwenden. In der Zusammenschau wiegt der Rechtsverstoß daher nicht so schwer, dass ein Beweisverwertungsverbot geboten wäre.
Gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe zur Haftfortdauer ist kein Rechtsmittel eröffnet.
Quelle: OLG Karlsruhe, Pressemitteilung vom 11. November 2021