Gegen den Bürgermeister von Neukirchen findet ein Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung im Zusammenhang mit dem Ertrinken dreier Kinder in einem zur Stadt gehörenden Teich statt. Den drei angeklagten seinerzeitigen öffentlich-rechtlichen Bediensteten bzw. kommunalen Amtsträgern wird die vorsätzlich falsche Aussage im Rahmen dieses Strafverfahrens vorgeworfen. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute veröffentlichtem Beschluss auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen die städtischen Mitarbeiter wegen der Bedeutung des Falles vor dem Landgericht Marburg eröffnet.
Die Staatsanwaltschaft Marburg wirft den drei Angeklagten vor, im Strafverfahren gegen den Bürgermeister der Stadt Neukirchen in der Hauptverhandlung vor Gericht als Zeugen uneidlich falsch ausgesagt zu haben. Sie sollen damit absichtlich versucht haben, zu vereiteln, dass der Bürgermeister wegen des Vorwurfes der fahrlässigen Tötung dreier Kinder, die im Teich in Neukirchen-Seigertshausen ertrunken sind, bestraft wird. Die drei Angeklagten hätten in Wahrnehmung ihrer jeweiligen Ämter Kenntnis von einem Schreiben der Kommunalversicherung vom 22.4.2014 gehabt, in dem explizit auf die erhöhte Gefährlichkeit des Teiches hingewiesen und das Treffen von Schutzmaßnahmen angeraten worden sei. Gleichwohl hätten sie alle drei im Rahmen ihrer Zeugenaussage bewusst wahrheitswidrig angegeben, zu keinem Zeitpunkt Kenntnis von einer durch den Umbau des Teiches besonderen Gefährlichkeit erlangt zu haben.
Das Landgericht Marburg hatte den hinreichenden Tatverdacht bejaht und die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen. Es hat das Hauptverfahren allerdings in Abweichung des Antrages der Staatsanwaltschaft vor dem Amtsgericht Schwalmstadt eröffnet.
Die Staatsanwaltschaft begehrt mit ihrer sofortigen Beschwerde, dass das Hauptverfahren vor dem Landgericht Marburg stattfindet. Diese Beschwerde hatte vor dem OLG Erfolg. Das Hauptverfahren ist wegen der besonderen Bedeutung der Sache vor dem Landgericht Marburg durchzuführen, entschied nun der 2. Strafsenat des OLG. Die den Angeklagten vorgeworfenen Straftaten stünden im Kontext mit ihrer beruflichen Stellung und seien geeignet, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität der öffentlichen Verwaltung und damit den Staat erheblich zu erschüttern, begründete das OLG seine Entscheidung. Dies gelte umso mehr, als durch das übereinstimmende Aussageverhalten der drei Angeklagten sowie des ehemaligen Bürgermeisters der Anschein eines bewussten und gewollten Zusammenwirkens mehrerer öffentlich-rechtlichen Bediensteten bzw. kommunalen Amtsinhabern vermittelt werde. Daher hebe sich die Sache von gleichartigen Fällen von Aussagedelikten ab und begründe die besondere Bedeutung der Strafsache, für die gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG das Landgericht zuständig sei.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 28.3.2023, Az. 2 Ws 6/23
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Pressemitteilung vom 21. April 2023