Der 1. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen hat mit Urteil vom heutigen Tage die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bremen vom 16.03.2022 zurückgewiesen.
In dem Rechtsstreit nimmt der Kläger die Beklagten auf Zahlung von Schmerzensgeld aus einem Unfallereignis vom 28.07.2020 in der Pappelstraße/Ecke Hohentorsheerstraße in Anspruch. Der Kläger ist blind und benutzt im Straßenverkehr zur Orientierung einen Langstock. Die Beklagte zu 1) vermietet gewerblich E-Roller im sog. free-floating-Modell, d.h. ohne festen Standort der E-Roller. Die Beklagten zu 2) und 3) nehmen Aufgaben für die Beklagten zu 1) wahr. Am 28.07.2020 verunfallte der Kläger auf dem Weg zur Arbeit, indem er über zwei auf dem Gehweg abstellte E-Roller stürzte, deren Halter die Beklagte zu 1) war. Durch den Sturz erlitt der Kläger einen Oberschenkelhalsbruch, der operativ behandelt werden musste. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.
Der Senat verneint eine Haftung wegen einer sog. Verkehrssicherungspflichtverletzung. Zwar war die Beklagte grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Es sei aber zu berücksichtigen, dass nicht jeder Gefahr vorbeugend begegnet werden könne. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließe, sei im praktischen Leben nicht erreichbar. Insbesondere habe sich die Beklagte bei der Aufstellung der E-Roller an die behördlichen Vorgaben der ihr erteilten Sondernutzungserlaubnis gehalten. Diese enthalte keine konkreten Vorgaben, ob die Roller längs oder quer zum Gehweg aufzustellen seien. Es sei insbesondere nicht notwendig gewesen, die Roller längs (und nicht, wie hier: quer) aufzustellen, denn damit sei in Anbetracht der örtlichen Verhältnisse keine signifikante Verringerung der Kollisionsgefahr verbunden gewesen. Vielmehr hätte eine längs gerichtete Aufstellung die Roller, die seinerzeit nur über einen Seitenständer verfügten, andere Risiken ausgelöst. Schließlich müsse im Bereich von Gehwegen immer mit dem Vorhandensein von Hindernissen (Mülltonnen, Kinderwagen o.ä.) gerechnet werden.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, es besteht die Möglichkeit einer sog. Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof innerhalb einer Frist von einem Monat.