Die 2. Zivilkammer des Landgerichts Rottweil hat mit Urteil vom heutigen Tag die Klage gegen einen deutschen Impfstoffhersteller wegen eines behaupteten Impfschadens abgewiesen. Der 58-jährige Kläger hatte von der Beklagten unter anderem aufgrund einer massiven Verschlechterung der Sehkraft auf dem rechten Auge infolge eines Augeninfarkts Schmerzensgeld in Höhe von 150.000 € sowie die Feststellung verlangt, dass ihm sämtliche materiellen und weiteren immateriellen Schäden aufgrund der Gesundheitsbeeinträchtigung zu ersetzen sind.
Ob der erlittene Augeninfarkt durch die Impfung mit dem Impfstoff der Beklagten verursacht wurde, hatte die Kammer nicht zu entscheiden. Denn sie lehnte die Voraussetzungen sämtlicher in Frage kommender Anspruchsgrundlagen ab.
Eine Haftung des Impfstoffherstellers bei Auftreten einer Nebenwirkung besteht nach § 84 Abs. 1 Arzneimittelgesetz (AMG), wenn entweder das Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen (sogenanntes negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis gemäß § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AMG) oder der Schaden infolge einer nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchsinformation eingetreten ist
(§ 84 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AMG). Zu beiden Voraussetzungen sah die Kammer keinen ausreichenden Vortrag des Klägers.
Die Europäische Kommission hat in mehreren Zulassungsverfahren für den Impfstoff,
zuletzt im August 2023 für den an die Omikronvariante angepassten Impfstoff, aufgrund der Stellungnahmen der zuständigen Arzneimittelbehörden, die unter Heranziehung von Sachverständigen und Auswertung sämtlicher bekannter Daten erfolgten, durchgängig ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis angenommen. Vor diesem Hintergrund verlangte die Kammer Vortrag zu Fehlern im Zulassungsverfahren oder zu zwischenzeitlich neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen, die zu einer geänderten Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses führen würden. Der Vortrag des Klägers
stützt sich nach den Ausführungen der Kammer allerdings nur auf nicht verifizierte
Verdachtsmeldungen von Impfschäden, aus dem Internet übernommene Einzelmeinungen insbesondere zum Spike-Protein, vom Kläger beauftragte nicht wissenschaftliche Stellungnahmen von Ärzten oder sachlich unzutreffende Kritik an den Sicherheitsberichten des Paul-Ehrlich-Instituts. Die Kammer sah die vom Kläger behauptete politische Einflussnahme auf die Zulassungsentscheidungen vor dem Hintergrund der Haftungsübernahme der Mitgliedsstaaten nicht näher dargelegt. Als unerheblich stufte die Kammer für die aktuelle Beurteilung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses ein, dass Langzeitstudien aufgrund des zeitlichen Ablaufs noch nicht vorliegen können.
Ausreichenden Vortrag zu einer fehlerhaften Gebrauchsinformation der Beklagten bei Inverkehrbringen des Impfstoffs konnte die Kammer ebenfalls nicht erkennen. Der Kläger hat insoweit insbesondere auf eine behauptete besondere Gefährlichkeit des Impfstoffs abgehoben. Die Kammer hielt hierzu den Hinweis in der Gebrauchsinformation der Beklagten zum Impfstoff, dass das Auftreten von bei Zulassung unbekannten Nebenwirkungen nicht sicher ausgeschlossen werden könne, als ausreichend an.
Die Voraussetzungen der Anspruchsgrundlagen des allgemeinen Deliktsrechts hat die Kammer gleichfalls ausgeschlossen. Für § 823 Abs. 1 BGB, wonach eine Haftung bei einer fahrlässigen Gesundheitsbeeinträchtigung gegeben sein könnte, fehle es an einer pflichtwidrigen Handlung sowie am Verschulden. Auch der vom Kläger angeführte § 826 BGB, eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung, sei nicht erfüllt.
Der Kläger kann gegen das Urteil binnen eines Monats Berufung einlegen, über die das Oberlandesgericht Stuttgart entscheiden würde.
(c) LG Rottweil, 06.12.2023