Das Verfahren vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Osnabrück (2. Große Strafkammer) wegen des Verdachts des versuchten Betrugs in Millionenhöhe im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie sowie falscher Verdächtigung und Verleumdung einer Person des öffentlichen Lebens ist am Freitag zu Ende gegangen (Az. 2 KLs 4/22).
In dem Verfahren war dem angeklagten ehemaligen Unternehmer Hendrik Holt vorgeworfen worden, er habe über einen gutgläubigen Mittelsmann im Jahr 2020 dem Bundesgesundheitsministerium FFP-2- und FFP-3-Schutzmasken zum Kauf angeboten. Er habe für die Lieferung einen Vorschuss von 17 Mio. Euro verlangt, sei aber nie zur Lieferung in der Lage gewesen. Das Bundesgesundheitsministerium lehnte das Angebot im Ergebnis ab. Zahlungen an den Angeklagten wurden nicht geleistet. Im Zuge eines anderen Verfahrens im letzten Jahr vor dem Landgericht Osnabrück sollte der Angeklagte zudem wahrheitswidrig behauptet haben, er habe bei der Anbahnung eines Geschäfts um Desinfektionsmittel, die neben den Masken geliefert werden sollten, den damaligen Bundesgesundheitsminister persönlich getroffen. Dieser habe angedeutet, er erwarte eine persönliche finanzielle Beteiligung an dem Geschäft.
Am Freitag, dem 24. März 2023, hat die Wirtschaftsstrafkammer dieses Verfahren abgeschlossen.
Den Verfahrensteil betreffend den Betrugsvorwurf trennte die Kammer heute ab und setzte das Verfahren insoweit aus. Das bedeutet, dass gegebenenfalls über diese Vorwürfe zu einem späteren Zeitpunkt erneut verhandelt wird. Die Kammer entsprach mit dieser Entscheidung einem Antrag der Staatsanwaltschaft. Diese hatte argumentiert, dass die bisherige Beweisaufnahme die Betrugsvorwürfe nicht abschließend habe aufklären können. Es müssten voraussichtlich weitere Zeugen aus dem Ausland vernommen werden. Deren Ladung war nach der Einschätzung der Staatsanwaltschaft, der sich das Gericht anschloss, im laufenden Verfahren nicht mehr rechtzeitig möglich.
Ein Urteil wurde dagegen heute gesprochen, soweit es die Vorwürfe der Verleumdung einer Person des öffentlichen Lebens und der falschen Verdächtigung betraf.
Die Kammer stellte in ihrem Urteil fest, der Angeklagte habe tatsächlich in einer anderen Verhandlung vor der Kammer im letzten Jahr ein vermeintliches Treffen mit dem damaligen Bundesgesundheitsminister im Jahr 2020 geschildert. Dabei habe der Angeklagte bewusst wahrheitswidrig behauptet, der Minister habe angedeutet, er erwarte persönliche Vorteile aus möglichen Geschäften des Bundesgesundheitsministeriums mit dem Angeklagten.
Tatsächlich, so die Feststellungen der Kammer weiter, habe es jedoch nie ein solches persönliches Treffen gegeben. Es habe auch nie eine Äußerung des Ministers dahingehend gegeben, dass er persönliche Vorteile aus Geschäften mit dem Angeklagten erwarte. Dies sei dem Angeklagten bei seiner anderslautenden Schilderung in der früheren Verhandlung vor dem Landgericht Osnabrück bekannt gewesen. Er habe damit bei seiner wahrheitswidrigen Schilderung bewusst in Kauf genommen, den früheren Minister zu verleumden und ihm die für ein öffentliches Amt erforderliche Integrität abzusprechen.
Die Kammer stützte ihre Feststellungen darauf, dass in dem aktuellen Verfahren der Angeklagte selbst zwar weiter behauptet hatte, den Minister im Jahr 2020 persönlich getroffen zu haben. Er wisse aber, so hatte der Angeklagte nunmehr erklärt, nicht mehr, ob der Minister oder ein Dritter den Wunsch nach einer finanziellen Beteiligung des Ministers geäußert habe und ob der Minister bei dieser Äußerung überhaupt anwesend war. Die weitere Beweisaufnahme ergab aus Sicht der Kammer, dass auch dies unzutreffend war und schon das persönliche Treffen nicht stattgefunden hatte.
Die Kammer sah durch den festgestellten Tatablauf den Tatbestand der Verleumdung einer Person des öffentlichen Lebens als erfüllt an. Eine falsche Verdächtigung liege dagegen nicht vor. Es sei nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen, dass der Angeklagte mit seinen früheren Äußerungen bezweckt habe, strafrechtliche Ermittlungen gegen den ehemaligen Minister in Gang zu bringen.
Die Kammer verhängte gegen den Angeklagten eine Freiheitsstrafe von acht Monaten. Das Strafmaß begründete die Kammer damit, dass die Verleumdung einer Person des öffentlichen Lebens stets mit einer Freiheitsstrafe bedroht sei. Zugunsten des Angeklagten sei zu berücksichtigen, dass er seine frühere Schilderung des angeblichen Treffens mit dem Minister jedenfalls in Teilen revidiert habe. Zudem befinde der Angeklagte sich in anderer Sache seit fast drei Jahren in Untersuchungshaft. Zu seinen Lasten sei zu berücksichtigen, dass der Angeklagte im Zeitpunkt der verleumderischen Äußerungen über den Minister schon vorbestraft gewesen sei und weitere erhebliche strafrechtliche Vorwürfe gegen ihn anhängig waren. Mit Blick nicht zuletzt auf diese weiteren Vorwürfe gegen den Angeklagten komme auch eine Strafaussetzung zur Bewährung nicht infrage, so die Kammer weiter.
Das heutige Urteil ist unabhängig von dem im letzten Jahr verkündeten – nicht rechtskräftigen – Urteil des Landgerichts Osnabrück gegen den Angeklagten wegen Vorwürfen im Zusammenhang mit der Entwicklung von Windparks ergangen. Eine Zusammenfassung der Strafen aus beiden Verfahren zu einer Gesamtstrafe kam aus Sicht der Kammer aus rechtlichen Gründen nicht infrage.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Es kann binnen einer Woche mit der Revision zum Bundesgerichtshof angegriffen werden.
Quelle: Landgericht Osnabrück, Pressemitteilung vom 26. März 2023
§ 188 StGB: Gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung
(1) Wird gegen eine im politischen Leben des Volkes stehende Person öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) eine Beleidigung (§ 185) aus Beweggründen begangen, die mit der Stellung des Beleidigten im öffentlichen Leben zusammenhängen, und ist die Tat geeignet, sein öffentliches Wirken erheblich zu erschweren, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Das politische Leben des Volkes reicht bis hin zur kommunalen Ebene.
(2) Unter den gleichen Voraussetzungen wird eine üble Nachrede (§ 186) mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren und eine Verleumdung (§ 187) mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.