Das Schwurgericht des Landgerichts München II hat den Angeklagten heute wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren 6 Monaten verurteilt.
Ausgangspunkt für die Tat – so der Vorsitzende Richter Thomas Bott – sei eine ganz alltägliche Situation im Juni 2023 gewesen. Bei einer Musikveranstaltung in einem Biergarten in Grafing habe ein dichtes Gedränge geherrscht. Sowohl der Angeklagte als auch der spätere Geschädigte hätten dabei raumgreifend, der Angeklagte geradezu ekstatisch getanzt. Dabei habe der Geschädigte den Angeklagten mehrfach berührt, ohne dass es allerdings zu einer bewussten Provokation gekommen sei. Dennoch habe der Angeklagte das Verhalten des Geschädigten als demütigend empfunden. Aus Verärgerung hierüber habe der Angeklagte wütend ein Taschenmesser hervorgezogen und ohne Vorwarnung fünf schneidende Bewegungen im Bereich des Halses und des Gesichts des Geschädigten durchgeführt. Glücklicherweise seien die Verletzungen aber oberflächlich geblieben. Der Geschädigte habe hierdurch acht Schnittverletzungen mit Längen zwischen 2 cm und 17 cm und einer Tiefe von ca. 2 mm im linken Gesichts- und Halsbereich erlitten.
Dabei habe der Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz und nicht nur mit Körperverletzungsvorsatz gehandelt. Angesichts der Verletzungsregion und der Vielzahl der Schnitte habe der Angeklagte mit einem tödlichen Ausgang gerechnet und sich damit abgefunden.
Die Kammer stützte ihre Beweiswürdigung auf eine Vielzahl von Zeugenaussagen und auf das Geständnis des Angeklagten.
Abweichend von der Anklage ordnete die Kammer die Tat nicht als versuchten Mord, sondern als versuchten Totschlag ein. Zwar habe der Geschädigte zum Zeitpunkt der Tat nicht mit einem Angriff gerechnet, allerdings habe der Angeklagte dies nicht bewusst zur Begehung der Tat ausgenutzt, so dass das Mordmerkmal der Heimtücke nicht gegeben war. Der Angeklagte habe auch nicht aus niedrigen Beweggründen gehandelt.
Aufgrund einer nicht unerheblichen Alkoholisierung in Verbindung mit einer persönlichkeitsbedingt erhöhten Empfänglichkeit für Kränkungen ging die Kammer, die von einer Psychiaterin beraten wurde, von einer nur eingeschränkten Schuldfähigkeit aus. Zugunsten des Angeklagten wertete das Schwurgericht zudem einen durchgeführten Täter-Opfer-Ausgleich.
Die Kammer ordnete zuletzt die Fortdauer der Untersuchungshaft an.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Verteidigung, der Nebenklage und der Staatsanwaltschaft München II steht das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen, das binnen einer Woche ab heute eingelegt werden müsste.