Die 2. Große Strafkammer – Schwurgericht – des Landgerichts München I hat heute den Angeklagten H. wegen Schleusung mit Todesfolge und schwerer Körperverletzung sowie weiterer Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von 10 Jahren verurteilt. 

Nach den Feststellungen des Gerichts war der Angeklagte Mitglied einer Bande, die Menschen aus der Türkei auf der sog. Balkanroute nach Deutschland schmuggelt. Die Menschen wurden dabei etappenweise unter der Aufsicht von sog. Gebietsverantwortlichen bis in die Bundesrepublik geschleust. Sie zahlten pro Familie bis zu 25.000 € an die Bande. Der Angeklagte – so der Vorsitzende Richter Norbert Riedmann – sei für die Route Slowenien/Italien-Deutschland zuständig gewesen. 

Gegenstand des Verfahrens waren zwei Fälle der Schleusung mit acht bzw. zwölf Personen aus dem Jahr 2022, wobei die Kammer deutlich machte, dass der Angeklagte auch an zahlreichen weiteren Schleusungen beteiligt gewesen sei. Zwei Fälle aus Mai 2022 waren Gegenstand des Verfahrens. Die Geschleusten seien in Italien über ein Loch in der Decke in LKW-Anhänger gebracht worden, die auf Güterwaggons gestanden hätten. Der Güterzug sei mit den Geflüchteten an Bord von Verona nach München gefahren. Die Menschen seien dabei in den Anhängern völlig ungesichert gewesen. Der Angeklagte habe dann nach der Ankunft am Güterbahnhof in Trudering ein Signal zum Aussteigen gegeben und das Loch in der Decke des Anhängers sei von innen geöffnet worden. Bei dem zweiten Fall sei einer der Geschleusten dann nach oben geklettert und habe einem Mädchen beim Aussteigen geholfen. Dabei habe er möglicherweise die unter Strom stehende Oberleitung berührt oder es sei ein sog. Lichtbogen entstanden, jedenfalls habe der Mann einen Stromschlag erlitten, der auch das Mädchen und ihren Bruder erreicht habe. Der Mann und das Mädchen seien von dem Anhänger heruntergefallen. Das junge Mädchen verstarb wenige Tage später an den Folgen seiner Verletzungen. Der Mann überlebte mit schwersten Verletzungen. Er verbrachte insgesamt 14 Monate im Krankenhaus, musste 18 Mal operiert werden und sitzt heute querschnittsgelähmt im Rollstuhl.

Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung nicht geäußert. Bei der Polizei hatte er noch angegeben, er habe nur Dolmetscherdienste geleistet. Das ordnete die Kammer als bloße Schutzbehauptung ein. Allein die festgestellte Reisetätigkeit sei mit dieser Aussage nicht vereinbar. Zudem sei das Mobiltelefon des Angeklagten ausgewertet worden. Hierauf hätten sich zahlreiche Hinweise auf seine hervorgehobene Position innerhalb der Bande ergeben. Der Angeklagte wurde zudem von zwei Zeugen, die in untergeordneter Rolle für die Bande tätig gewesen seien, als Auftraggeber identifiziert. Die Einlassung des Angeklagten, sein Handy habe vorher einer anderen Person gehört, glaubte die Kammer nicht. Aus einer Gesamtschau aller Indizien ergebe sich die Verantwortung des Angeklagten für die vorgeworfenen Straftaten.

Der Angeklagte sei schuldig im Sinne der Anklage. In rechtlicher Hinsicht ordnete die Kammer unter dem Vorsitz von Norbert Riedmann als zwei Fälle der Schleusung in einem Fall mit Todesfolge ein. Dem Angeklagten seien die Schwierigkeiten beim Ein- und Ausstieg in den LKW-Anhänger, aber auch während der Fahrt bekannt gewesen. Der Tod sowie die anderen Verletzungen seien dem Angeklagten zuzurechnen. Mit dem Eintritt von Verletzungen habe er gerechnet und habe diese auch billigend in Kauf genommen. 

Bei der Strafzumessung berücksichtigte das Gericht, dass der Angeklagte innerhalb der Bandenstruktur in einer Führungsposition gestanden habe und ein hohes Einkommen aus den Taten erzielt habe. 

Ergänzend ordnete das Gericht die Einziehung der durch die Taten erlangten Erträge an.

Zuletzt ordnete die Kammer die Fortdauer der Untersuchungshaft an. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft München I steht das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen, das binnen einer Woche ab heute eingelegt werden müsste.

(c) LG München I, 30.09.2024

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