Das Landgericht München I hat die Angeklagte heute wegen Totschlags zu einer Jugendstrafe von 3 Jahren 8 Monaten verurteilt.
Die Große Jugendkammer geht von folgendem Sachverhalt aus: Die zum Tatzeitpunkt 19jährige Angeklagte sei in einem engen Familienverbund in einem konservativ-katholischem Wertegefüge aufgewachsen. Sie sei dann ungewollt schwanger geworden. Eine Abtreibung sei vor ihrem familiären Hintergrund für sie keine Option gewesen. Im Mai 2023 habe sie im Badezimmer des Anwesens ihrer Eltern einen Sohn lebend und gesund zur Welt gebracht. Anschließend habe sie die Spülung der Toilette so oft hintereinander betätigt, bis das darin befindliche Kind tot war. Die Rechtsmedizinerin hatte ein Ersticken durch Ertrinken als Todesursache festgestellt. Der Vorsitzende Richter Christoph Limmer hielt fest, dass das Kind einen mehrminütigen Todeskampf habe durchleiden müssen. Die Angeklagte sei voll schuldfähig gewesen.
Die Angeklagte hatte den Sachverhalt eingeräumt.
Anders als Staatsanwalt Felix Prokop ging die Kammer nicht von einem Mord aus niedrigen Beweggründen aus, sondern bewertete die Tat als Totschlag. Die Tat sei nicht allein aus krasser Eigensucht begangen worden. Die Kammer erkannte vielmehr ein ganzes Motivbündel. So habe die Angeklagte Angst gehabt, das Bild der Familie nach außen zu beschädigen und die Erwartungen ihrer eigenen Familie zu enttäuschen. Die Angeklagte habe sich bei der Geburt in einer äußerst schwierigen Situation befunden.
Die Angeklagte sei nach Jugendstrafrecht zu verurteilen gewesen, weil sie in ihrer Entwicklung trotz Arbeitstätigkeit insgesamt noch eher einer Jugendlichen als einer Erwachsenen entsprochen habe
Der Vorsitzende Richter Christoph Limmer hob hervor, dass in diesem Verfahren anders als in vielen anderen Verfahren niemand für das Opfer der Tat habe sprechen können. Die Angeklagte habe dem Kind die Möglichkeit genommen, in diesen Tagen seinen ersten Geburtstag zu feiern. Die Schwere der Schuld habe daher die Verhängung einer Jugendstrafe erfordert. Diese könne sich auch – anders als von der Verteidigerin Birgit Schwerdt beantragt – nicht im bewährungsfähigen Bereich bewegen. Es sei dringend notwendig, dass sich die Angeklagte bewusst mache, was sie getan habe und sich damit auseinandersetze.
Der Vorsitzende lobte in der mündlichen Urteilsbegründung die schnelle und gute Ermittlungsarbeit der Mordkommission.
Zuletzt ordnete das Gericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft München I sowie der Nebenklage steht das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen, das binnen einer Woche ab heute eingelegt werden müsste.
(c) LG München I, 15.05.2024