Nach der Abgabe verunreinigter Glukoseabfüllungen durch die Heilig Geist-Apotheke in Köln-Longerich im September 2019, die zur Herstellung von Glukosetoleranztests bei Schwangeren verwendet werden, hatte die Staatsanwaltschaft Köln mit Anklageschrift vom 13.08.2020 (Az. 91 Js 48/19) Anklage gegen eine Apothekerin aus Köln erhoben. Zuständig für das Verfahren ist die 11. große Strafkammer des Landgerichts Köln als Schwurgericht (Az. 111 Ks 13/20).
Die Anklage wirft der Angeklagten zwei Taten vor: Im ersten Fall der Anklageschrift geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass die Angeschuldigte durch Fahrlässigkeit den Tod bzw. die Körperverletzung von zwei Apothekenkundinnen (§§ 222 bzw. 229 StGB) verursacht hat, indem sie unbewusst durch eine sorgfaltswidrige Verwechselung von Standgefäßen Glukose-Monohydrat mit Lidocainhydrochlorid verunreinigte, das später als Glukoseabfüllung in der Apotheke an Kundinnen ausgegeben wurde. Im zweiten Fall bewertet die Staatsanwaltschaft das weitere Verhalten der Angeklagten am 19.09.2020 als versuchten Mord durch Unterlassen in zwei Fällen, §§ 211, 13, 22, 23 StGB, zu Lasten der verstorbenen Geschädigten und ihres Kindes. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass sie pflichtwidrig Mitteilungen an das behandelnde Krankenhaus unterlassen hat, durch die, wären sie getätigt worden, nach Ansicht der Staatsanwaltschaft nach Vorstellung der Angeklagten die später Verstorbenen möglicherweise vergiftungsspezifisch hätten behandelt und gerettet werden können.
Die Kammer hat nach besonders sorgfältiger und intensiver Prüfung mit Beschluss vom 28.04.2023 das Hauptverfahren eröffnet und beide Tatvorwürfe zur Hauptverhandlung zugelassen.
Diese sog. „Eröffnungsbeschlüsse“ ergehen in der Praxis im Eröffnungsfall in aller Regel ohne eine Begründung des zuständigen Gerichts. Hinsichtlich des o.g. zweiten Vorwurfs enthält der Beschluss allerdings den Hinweis der Kammer, dass wegen „des unter Fall 2 der Anklage aufgeführten Tatvorwurfs […] ein hinreichender Tatverdacht nach der Aktenlage noch zu bejahen“ ist. Ein „hinreichender Tatverdacht“ ist nach § 203 StPO für die Eröffnung des Hauptverfahrens für jeden Tatvorwurf erforderlich. Er bedeutet, dass bei einer Prüfung der Verdachtslage die Kammer auf Basis des Akteninhalts (vor der Hauptverhandlung und vorbehaltlich ihrer Beweisergebnisse) von einer überwiegenden Verurteilungswahrscheinlichkeit (größer als 50 %) ausgeht. Der Hinweis des Gerichts bedeutet, dass dieser Verdachtsgrad nach Aktenlage hier gerade noch erreicht wird.
Gleichzeitig hat die Vorsitzende der Kammer mit Verfügung vom gleichen Tage 21 Hauptverhandlungstage, beginnend mit einem Prozessauftakt am 15.06.2023, 09.15 Uhr, bis zum 29.09.2023 bestimmt. In dem Verfahren werden zahlreiche Zeugen und Sachverständige zu hören sein.
Für die Angeklagte gilt bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung.
Quelle: Landgericht Köln, Pressemitteilung vom 3. Mai 2023