Das Landgericht Hamburg hat mit Beschluss vom 8. September 2023 (den Beteiligten am 12. September bekannt gegeben) auf Antrag des Rammstein-Sängers Till Lindemann eine einstweilige Verfügung gegen den ORF erlassen. Die Verfügung betrifft einen über orf.at verbreiteten Artikel vom 24. Juli 2023 und enthält das Verbot, mit den dortigen Darstellungen den Verdacht zu erwecken, der Antragsteller habe im Zuge der Rammstein-„Stadium Tour“ gewalttätige Handlungen an einer Frau gegen deren Willen vorgenommen.
Nach Auffassung der zuständigen Kammer des Landgerichts fehlt es an einer für die Schwere des Vorwurfs ausreichend konkreten Konfrontation des Antragstellers, die nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung vor einer derartigen Veröffentlichung erfolgen muss. Dem Antragsgegner sei zwar Gelegenheit zur Beantwortung von Fragen gegeben worden, der darin enthaltene Vorhalt sei jedoch ohne die den Vorwurf ausmachenden Details formuliert, weder zeitlich noch räumlich eingegrenzt und in einem Teilaspekt unzutreffend gewesen. Dies habe die Einordnung der Geschehnisse, die dem Vorwurf zugrunde lägen, so erschwert, dass dem Antragsteller nicht ausreichend ermöglicht worden sei, sich mit dem Vorwurf auseinanderzusetzen und gegebenenfalls ihn entlastende Umstände vorzutragen. Ungeachtet eines hohen öffentlichen Interesses an der Person des Antragstellers und an dem hier berichteten Vorwurf wäre nach Auffassung der Kammer eine konkretere Konfrontation unerlässlich gewesen, da der erhobene Vorwurf nicht nur äußerst ehrenrührig sei, sondern auch den Verdacht einer konkreten Straftat transportiere.
Die Antragsgegnerin könne sich wegen der Konkretisierung des Vorwurfs nicht auf den Einwand zurückziehen, dass die Mitteilung näherer Umstände wie Ort und Zeit des mutmaßlichen Übergriffs die Anonymität der Zeugin gefährdet hätte. Zwar müsse die Identität eines Zeugen grundsätzlich nicht offenbart werden, und auch die Informationen eines anonymen Informanten, der dem Presseorgan bekannt sei, könnten eine Berichterstattung tragen, wenn weitere Umstände vorlägen, aus denen auf die Richtigkeit von dessen Angaben geschlossen werden könne. Dies befreie in der Verdachtsberichterstattung jedoch nicht zugleich von dem Erfordernis, dem Betroffenen Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu geben. Gerade vor dem Hintergrund, dass Kern der Berichterstattung die Schilderung der anonymen Zeugin sei, wäre es unter Berücksichtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Antragstellers erforderlich gewesen, diesem mithilfe einer konkreteren Konfrontation eine zeitliche und örtliche Einordnung des Vorwurfs zu ermöglichen.
(c) LG Hamburg, 18.09.2023