Die 38. Große Strafkammer des Landgerichts Berlin I hat heute den als „Raketen-Influencer“ bekanntgewordenen 23-jährigen Attaallah Y. wegen Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Haftbefehl gegen den aus Nablus im Westjordanland stammenden, staatenlosen Mann, der sich nach eigenen Angaben als Influencer verdingt, wurde aufgehoben; er wurde aus der Untersuchungshaft entlassen. Der Angeklagte hat anschließend angekündigt, in seine Heimat zurückkehren zu wollen.

Nach den Feststellungen der Kammer hat der Angeklagte am vergangenen Silvesterabend eine Feuerwerksrakete auf ein Mehrfamilienhaus in der Treptower Straße im Berliner Bezirk Neukölln abgefeuert. Die Rakete habe ein Fenster im dritten Stock durchschlagen und habe einen Schaden an Einrichtungsgegenständen in dem betroffenen Zimmer verursacht. Die Bewohner hätten sich in einem anderen Teil der Wohnung aufgehalten. Der Angeklagte war vier Tage später am Flughafen BER vorläufig festgenommen worden und befand sich seitdem in Untersuchungshaft.

Diese Tat sei unter Berücksichtigung aller Umstände – darunter die baulichen Gegebenheiten, die konkrete Vorgehensweise sowie die Motive des Angeklagten – rechtlich allein als Sachbeschädigung zu werten, so der Vorsitzende Richter der Kammer in seiner heutigen Urteilsbegründung. Eine versuchte schwere Brandstiftung sowie eine versuchte gefährliche Körperverletzung seien dem Angeklagten – anders als von der Staatsanwaltschaft angenommen – nicht nachzuweisen. Der Angeklagte habe beim Abfeuern der Rakete – wobei er den Feuerwerkskörper in einem 45-Grad-Winkel in Richtung des Hauses gezündet habe – zwar billigend in Kauf genommen, dass das Haus an sich Schaden nehmen könnte. Er habe jedoch nicht erkennen können, dass die Rakete ein Fenster durchschlagen und dahinter befindliche Menschen treffen könnte. Mit einer solchen möglichen Folge seines Handels habe er sich auch nicht abgefunden. Dabei stützte sich die Kammer u.a. auf das Gutachten einer Brandsachverständigen, die ausgesagt hatte, dass eine Fensterscheibe „wie ein nahezu perfekter Kristall“ sei; bei intakten Fensterscheiben sei ein Durchschlagen kaum vorstellbar. Ein Defekt der Scheibe, der das Durchschlagen des Feuerwerkskörpers erst möglich gemacht habe, sei dem Angeklagten strafrechtlich nicht zuzuschreiben.

Das Gesetzt sieht für die Sachbeschädigung in § 303 StGB als Strafe Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren vor. Bei der Strafzumessung wurde zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er nicht vorbestraft und geständig war, sich für seine Tat entschuldigt und auf eine Schadenswiedergutmachung hingewirkt hat. Strafschärfend bewertete die Kammer hingegen die Rücksichtslosigkeit, mit der er vorgegangen sei. Mit seiner völligen Verantwortungslosigkeit habe er das Sicherheitsgefühl der Allgemeinheit empfindlich beeinträchtigt, so der Vorsitzende. Auch die anschließende Veröffentlichung eines Videos von der Tat wertete die Kammer strafschärfend. Obwohl der Angeklagte Ersttäter sei, komme bei einem solchen Handeln keine Geldstrafe mehr in Betracht. Tat- und schuldangemessen sei nur eine Freiheitsstrafe. Weil der Angeklagte bislang aber nicht vorbestraft sei und in dieser Sache bereits mehr als drei Monate in Untersuchungshaft gesessen habe, seien die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 56 StGB erfüllt, erläuterte der Vorsitzende weiter.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Es kann binnen einer Woche mit dem Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof angefochten werden.

Az.: 538 KLs 2/25

LG Berlin I, 09.04.2025

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