Vom 19. bis 20. Mai 2022 fand auf Einladung des Präsidenten des Landgerichts Leipzig eine länderübergreifende Tagung der Präsidentinnen und Präsidenten der großen Landgerichte statt.
Im Rahmen eines gemeinsamen Erfahrungs- und Meinungsaustauschs über Themen der Justizverwaltung und Gesetzgebung wurde unter anderem die Thematik der Anhebung des Zuständigkeitswerts für Amtsgerichte (§ 23 Abs. 1 GVG) erörtert.
Nach § 23 Nr. 1 GVG umfasst die sachliche Zuständigkeit der Amtsgerichte bürgerliche Rechtsstreitigkeiten mit einem Streitwert von bis zu 5.000,00 €, soweit keine streitwertunabhängige Zuständigkeit besteht. Diese Wertgrenze besteht im Wesentlichen unverändert seit dem Jahr 1993, als mit Wirkung vom 1. März 1993 der Wert von zuvor 6.000,00 DM auf 10.000,00 DM angehoben wurde. Mit der Einführung des Euro zum 1. Januar 2002 wurde dieser Betrag lediglich auf 5.000,00 € gerundet. Die weitere Geldwertentwicklung seit diesem Zeitpunkt wurde bislang nicht berücksichtigt. So stiegen die Verbraucherpreise seit 1993 bis Ende des Jahres 2021 um ca. 53 % (Quelle: Statistisches Bundesamt), sodass allein eine Indizierung an Hand des Verbraucherpreisindex einen Wert von ca. 7.700,00 € ergäbe.
Die Teilnehmenden haben sich dafür ausgesprochen, den Zuständigkeitswert für die Amtsgerichte (§ 23 Nr. 1 GVG) angemessen an die gestiegene Inflationsrate anzupassen.
Die Präsidentinnen und Präsidenten regen an, mit Blick auf die Entwicklung der Geldentwertung seit 1993 eine Anhebung der Streitwertgrenze auf Euro 10.000,00 € in Betracht zu ziehen. Die Bedeutung und der Stellenwert der besonders bürgernahen Amtsgerichte für die Zivilrechtspflege würde hierdurch einerseits gestärkt. Andererseits setzt eine solche rechtspolitische Maßnahme dringend benötigte personelle Ressourcen an den Landgerichten frei, die dort für die Bearbeitung von Verfahren gegen die organisierte und Schwerkriminalität ebenso wie zur Erledigung immer
Seite 2 von 2
komplexer werdender wirtschaftsrechtlicher Verfahren und sogenannter Massenverfahren dringend benötigt werden.
Die Präsidentinnen und Präsidenten sprechen sich dafür aus, die Regelung des § 10 EGStPO, der eine Hemmung der Unterbrechungsfristen wegen Infektionsschutzmaßnahmen vorsieht, über den 29.06.2022 hinaus zu verlängern. In den vergangenen Wellen der Pandemie ist die Regelung von einer Vielzahl von Strafkammern teils mehrfach genutzt worden und ist auf diese Weise die Fortführung vieler teils sehr aufwändiger Verfahren erst möglich geworden.
Es nahmen teil der Präsident des Landgerichts Bamberg Herr Anton Lohneis, die Vizepräsidentin des Landgerichts Berlin Frau Dr. Anja Teschner, der Präsident des Landgerichts Bonn Herr Dr. Stefan Weismann, der Präsident des Landgerichts Braunschweig Herr Ingo Groß, die Richterin am Oberlandesgerichts Celle Dr. Maike Hoffmann, der Vizepräsident des Landgerichts Düsseldorf Herr. Dr. Bernd Wermeckes, der Präsident des Landgerichts Frankfurt am Main Herr Dr. Wilhelm Wolf, die Präsidentin des Landgerichts Hildesheim Frau Dr. Britta Knüllig-Dingeldey, der Präsident des Landgerichts Koblenz Herr Stephan Rüll, der Präsident des Landgerichts Köln Herr Roland Ketterle, der Präsident des Landgerichts Landshut Herr Dr. Clemens Prokop, der Präsident des Landgerichts Leipzig Herr Kai Deusing, die Präsidentin des Landgerichts München I Frau Dr. Beatrix Schobel, der Präsident des Landgerichts Nürnberg-Fürth Herr Roland Glass, der Präsident des Landgerichts Osnabrück Herr Dr. Thomas Veen, der Präsident des Landgerichts Rostock Herr Dr. Kai Jaspersen, der Präsident des Landgerichts Stuttgart Herr Dr. Andreas Singer.