Nach der Flucht zweier Gefangener aus Gerichtsgebäuden in Regensburg und Coburg haben Bayerns Justizminister Georg Eisenreich und Innenminister Joachim Herrmann umgehend veranlasst, dass die Vorgänge lückenlos aufgeklärt und die Sicherheitskonzepte auf den Prüfstand gestellt werden. Bereits nach der Entweichung in Regensburg hatte Eisenreich angeordnet, Standards für einen umfassenden Sicherheitscheck für alle bayerischen Gerichte in Abstimmung mit der Polizei zu erarbeiten. In diese Standards sind die Berichte der Gerichte eingeflossen, die auf Anforderung des Justizministers kurzfristig nach dem Vorfall in Coburg übermittelt wurden. Am 1. März hat Staatsminister Eisenreich alle bayerischen Gerichte mit der Durchführung des Sicherheitschecks beauftragt.
Die Bayerische Polizei wird sich an diesem Sicherheitscheck umfassend beteiligen und zudem eigene Maßnahmen umsetzen.
Eisenreich und Herrmann: „Fluchtversuche aus Justizgebäuden zu verhindern ist eine Gemeinschaftsaufgabe von Justiz und Polizei.“
Die bayerischen Gerichte wurden beauftragt, den Sicherheitscheck vor Ort durchzuführen und Maßnahmen umzusetzen. Eisenreich betont zugleich: „Gerichtsgebäude sind keine Gefängnisse. Ihnen kommt in unserem demokratischen Rechtsstaat eine herausgehobene Stellung zu. Die Öffentlichkeit hat freien Zugang zu den Sitzungssälen. Klar ist daher: Baulich-technische Sicherungen reichen nicht aus, um Entweichungen zu verhindern. Denn die Justiz in Bayern ist transparent und verhandelt nicht hinter verriegelten Türen. Deshalb ist die Bewachung und falls nötig Fesselung der Gefangenen entscheidend.“
Joachim Herrmann ergänzt: „Auch wenn es bei der großen Mehrzahl an Vorführungen zu keinerlei Problemen kommt, zeigen die beiden zurückliegenden Vorfälle in Regensburg und Coburg, dass hier Handlungsbedarf besteht.“
Der Sicherheitscheck beinhaltet folgende Maßnahmen:
- Einsatz von Taskforces: Die Oberlandesgerichte richten umgehend Taskforces ein. Sicherheitsexperten aus Justiz und Polizei sollen bis Ende März 2023 die baulichen Gegebenheiten und organisatorischen Abläufe aller ordentlichen bayerischen Gerichte unter Sicherheitsaspekten prüfen.
- Bewachung und Fesselung von Gefangenen: Die Bewachung und falls nötig Fesselung von Gefangenen spielen die zentrale Rolle für die Sicherheit in den Gerichtsgebäuden. Die Vorführung von Gefangenen bei Gericht wird grundsätzlich durch Beamte der Polizei, an einzelnen Standorten (München, Nürnberg und Augsburg) auch durch Justizbedienstete durchgeführt. Justizminister Eisenreich: „Der Vorsitzende Richter sollte sich mit den Vorführbeamten bei konkreten Anhaltspunkten für Fluchtgefahr darüber verständigen, ob Fesseln außerhalb der Sitzung notwendig sind und wer diese anordnet.“
- Information der Vorführbeamten: Vorführbeamte der Polizei sollen im Vorfeld mit den wichtigsten Informationen über die Räumlichkeiten, örtliche Notfallnummern und Gebäudezugänge versorgt und für das Thema sensibilisiert.
- Information von Staatsanwaltschaft und Gericht: Mit der sog. Terminmitteilung werden Staatsanwaltschaft und Gericht über etwaige Sicherheitshinweise informiert. Vorführbeamte von Justiz und Polizei übergeben diese dem Staatsanwalt, der sie vor Beginn der Sitzung dem Vorsitzenden Richter vorlegt.
- Vier-Augen-Gespräche in gesicherten Vorführzellen: Größere Gerichte in Bayern verfügen teils über besonders gesicherte Vorführzellen. Eisenreich: „Außerhalb der Sitzungen sollten vorgeführte Zeugen oder Angeklagte in den besonders gesicherten Vorführzellen untergebracht werden. Gerichte, die nicht über entsprechende Vorführzellen verfügen, sollten grundsätzlich zumindest eine besonders gesicherte Räumlichkeit für ein vertrauliches Vier-Augen-Gespräch zwischen Rechtsanwalt und vorgeführten Verfahrensbeteiligten einrichten.“ In der Zwischenzeit gilt: Vier-Augen-Gespräche in nicht ausreichend gesicherten Besprechungszimmern sind nur unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen durchzuführen.
- Dienstbesprechungen Polizei und Justiz: Zur Umsetzung des Sicherheitschecks und der notwendigen Maßnahmen finden unverzüglich Dienstbesprechungen zwischen den Gerichten, den Staatsanwaltschaften, den Justizvollzugsanstalten und den für Vorführungen zuständigen Polizeidienststellen statt.
Quelle: Justizministerium Bayern, Pressemitteilung vom 7. März 2023