Bayerns Spezial-Staatsanwälte haben im vergangenen Jahr 3.462 Verfahren wegen Hate Speech im Internet neu eingeleitet. Justizminister Georg Eisenreich: „Das ist ein Anstieg von 11 % im Vergleich zum Vorjahr. Strafbarer Hass und Hetze sind eine Gefahr für unsere Demokratie. Die Angriffe sind besonders häufig antisemitisch motiviert. Deutschland und die Welt erleben nach dem 7. Oktober 2023 die schlimmste Welle von Antisemitismus seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Es ist unsere Verantwortung, dass sich Jüdinnen und Juden in Bayern sicher fühlen können. Die bayerische Justiz führt den Kampf gegen strafbaren Hass und Hetze konsequent.“

Minister Eisenreich hat zum 1. Januar 2020 bei der Generalstaatsanwaltschaft München Deutschlands ersten Hate-Speech-Beauftragten zentral für die bayerische Justiz bestellt und Sonderdezernate bei allen 22 Staatsanwaltschaften Bayerns im Kampf gegen strafbaren Hass und Hetze im Internet eingesetzt. Staatsanwalt als Gruppenleiter David Beck hat das Amt des Hate-Speech-Beauftragten der Bayerischen Justiz im Februar 2024 übernommen und geht gemeinsam mit seinem Team aus weiteren drei Staatsanwältinnen konsequent und mit Augenmaß an jeden Einzelfall heran.

Die Hate-Speech-Bilanz im Jahr 2024:

·            Wie viele Verfahren? Von den 3.462 neu eingeleiteten Verfahren wurden 2.909 gegen bekannte Täter und 553 Verfahren gegen Unbekannt geführt.

·            Wo? Im Bezirk der Generalstaatsanwaltschaft München waren es 1.971 Verfahren gegen bekannte Täter und 426 gegen Unbekannt. Die Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) führte hiervon 562 Verfahren gegen bekannte Täter und 220 Verfahren gegen unbekannte Täter. Im Bezirk derGeneralstaatsanwaltschaft Nürnberg waren es 531 Verfahren gegen bekannte, 59 gegen unbekannte Täter sowie bei der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg 407 gegen bekannte, 68 gegen unbekannte Täter.

·            Wie viele Anklagen und Strafbefehle? In insgesamt 794 Verfahren wurde öffentlich Klage erhoben, im Vorjahr waren es 728 Verfahren. In 597 Verfahren erging 2024 eine Verurteilung oder ein Strafbefehl. Davon sind 496 Verfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen (85 mehr als im Vorjahr). Dies bezieht sich nicht nur auf die oben genannten im Jahr 2024 neu eingeleiteten Verfahren. Umfasst sind sämtliche in 2024 erfolgten Anklagen bzw. Urteile. Diese könnensich auch Verfahren beziehen, die bereits in den Vorjahren eingeleitet wurden. 

·            Welche Strafen drohen? Eisenreich warnt: „Es drohen auch bei Ersttätern regelmäßig empfindliche Geldstrafen, bei Volksverhetzung beispielsweise mindestens drei Monatsgehälter plus Eintrag ins Führungszeugnis.“

Gegen wen richtet sich der Hass?

Hass und Hetze können jeden treffen – Minderheiten, andersdenkende oder andersgläubige Menschen. Von den Verfahren waren 553 antisemitisch (2023: 481 Verfahren; + 14,97 %), 532 fremdenfeindlich (2023: 568 Verfahren; – 6,34 %). In 176 Verfahren wurden die Opfer wegen ihrer sexuellen Orientierung oder sexuellen Identität angegriffen, im Vorjahr 112 (+ 57,14 %). 99 Verfahren waren islamfeindlich (2023: 78 Verfahren; + 26,92 %), 42 behindertenfeindlich (2023: 64 Verfahren; 34,38 %) und 7 christenfeindlich (2023: 10; – 30 %)motiviert. 

Wie oft trifft es Frauen?

Die bayerische Justiz erfasst strafbare Hate Speech gegen Frauen gesondert. In 462 Verfahren waren die Geschädigten im Jahr 2024 weiblich, im Vorjahr waren es 376 (+ 22,87 %). 154 Verfahren wurden wegenfrauenfeindlicher Hate Speech geführt (2023: 61; + 152,46 %). Eisenreich: „Prominente Frauen, Journalistinnen, Politikerinnen oder andere Frauen, die sich öffentlich engagieren, werden zum Teil allein wegen ihres Geschlechts Opfer sexualisierter Beleidigungen im Internet. Das ist erniedrigend und beschämend. Wir nehmen den Schutz von Mädchen und Frauen sehr ernst.“ 

Wie ist die Entwicklung?

Minister Eisenreich: „Der Terror-Angriff der Hamas auf Israel und der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine haben Hass und Hetze neuen Nährboden gegeben. Ich wünsche mir, dass möglichst viele in der Gesellschaft Hass offen widersprechen – sei es am Stammtisch, in der Arbeit, am Gartenzaun oder im Internet.“

Kritiker an (Spitzen)politikern

Kritik an Politik und Politikern ist selbstverständlich erlaubt und elementarer Bestandteil der demokratischen Debatte. Die in Artikel 5 des Grundgesetztes verankerte Meinungsfreiheit gewährleistet, dass Bürger straflos zum Ausdruck bringen dürfen, dass sie eine bestimmte Person für ungeeignet für ein politisches Amt halten. Spitzenpolitiker sind anders als Kommunalpolitiker in der öffentlichen Wahrnehmung untrennbar mit der jeweiligen Position und Politik ihrer Partei verbunden. Daher sind Äußerungen gegenüber Spitzenpolitikern regelmäßig auchgegen ihre Position und Politik gerichtet. Spitzenpolitiker müssen also je nach Einzelfall mehr aushalten als andere. Für eine sog. unzulässige Schmähkritik, also Kritik, die sich allein gegen die Person richtet, keinen Sachbezug hat und daher als Beleidigung nach § 185 StGB und ggfs. § 188 StGB strafbar ist, sind die Anforderungen bei Spitzenpolitikern hoch. Denn wegen des Sachbezugs hat die Meinungsfreiheit in diesen Fällen bei der Abwägung ein besonderes Gewicht. Ob eine Straftat vorliegt, entscheiden die Gerichte in richterlicher Unabhängigkeit in Abhängigkeit des jeweiligen Einzelfalls.

StMJ, 07.04.2025

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