Bayerns Justizminister Georg Eisenreich hat heute (6. November) die Botschafterin Deborah Lipstadt, Sonderbeauftragte der US-Regierung für die Beobachtung und Bekämpfung von Antisemitismus, im Münchner Justizpalast empfangen. Der Minister: „Deborah Lipstadt ist eine unbeugsame Streiterin im Kampf gegen Antisemitismus und eine der renommiertesten Holocaust-Forscherinnen der Welt. Es ist mir eine große Ehre, die US-Botschafterin heute zum Austausch in München begrüßen zu dürfen.“ Die Historikerin hatte sich im Jahr 2000 in London erfolgreich gegen eine Klage des Holocaust-Leugners David Irving zur Wehr gesetzt.
Das zentrale Thema der Diskussion war der Antisemitismus, der sich seit den Angriffen vom 7. Oktober in vielen Teilen der Welt Bahn gebrochen hat. Der Minister: „Der terroristische und barbarische Angriff der Hamas ist ein Angriff auf die Menschen in Israel und auf den Staat Israel. Er ist zugleich ein Angriff auf uns und unsere Grundwerte. Die bayerische Justiz führt den Kampf gegen antisemitische Straftaten entschlossen und konsequent. Gemeinsam mit unseren transatlantischen Partnern stehen wir unverbrüchlich an der Seite Israels und an der Seite der jüdischen Bürgerinnen und Bürger unseres Landes.“
US-Botschafterin Lipstadt: „Ich möchte meine Dankbarkeit gegenüber der deutschen Regierung ausdrücken für die Ernsthaftigkeit, mit der sie sowohl die Situation im Nahen Osten als auch den daraus resultierenden weltweit aufkommenden Antisemitismus angeht. Ihre Führung ist zu dieser Zeit entscheidend, da alle Regierungen handeln müssen, um die Sicherheit ihrer jüdischen Bevölkerung zu gewährleisten.“
Minister Eisenreich stellte der Sonderbeauftragten der US-Regierung das umfangreiche Maßnahmenbündel der bayerischen Justiz zur Bekämpfung von Antisemitismus vor. Der Minister: „Judenhass gibt es an den Rändern, in der Mitte der Gesellschaft und unter Zuwanderern. Es ist unsere Aufgabe, diesen zu erkennen, zu benennen und zu bekämpfen.“ Der bayerische Justizminister analysierte auch die Migrationspolitik in Deutschland: „Es wurden und werden gravierende Fehler gemacht. Die Folgen dieser falschen Politik sind nun überdeutlich zu sehen. So tritt neben einen Antisemitismus, den es auch in Teilen unserer Gesellschaft schon immer gegeben und der in den vergangenen Jahren zugenommen hat, mittlerweile auch importierter Antisemitismus. Was mir ebenfalls wichtig ist zu betonen: Neben dem gefährlichen Antisemitismus von rechts gibt es auch einen Antisemitismus von links, der von vielen viel zu lange verharmlost wurde. Beispiele dafür sind die Documenta, Statements von Fridays for Future International bis hin zum lauten Schweigen von Teilen des deutschen Kulturbetriebs angesichts des Angriffs auf Israel.“
Bereits am vergangenen Montag (30. Oktober) hatte sich Eisenreich mit Vertreterinnen und Vertretern des israelischen Generalkonsulats, des Zentralrats der Juden in Deutschland, der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, dem Beauftragten der bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe, dem Zentralen Antisemitismusbeauftragten der Bayerischen Justiz, Oberstaatsanwalt Andreas Franck, den Antisemitismus-Beauftragten bei den drei Generalstaatsanwaltschaften und den Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern der bayerischen Staatsanwaltschaften zur Bekämpfung von antisemitischen Straftaten ausgetauscht.
Hintergrund:
Das Maßnahmenbündel der bayerischen Justiz gegen antisemitische Straftaten:
- 2018 wurden drei Antisemitismus-Beauftragte der Bayerischen Justiz bei den drei Generalstaatsanwaltschaften München, Nürnberg und Bamberg eingesetzt. Ende des Jahres 2021 wurden bei allen 22 bayerischen Staatsanwaltschaften Ansprechpartner Antisemitismus etabliert. Seit Oktober 2021 hat die bayerische Justiz daneben einen Zentralen Antisemitismusbeauftragten.
- Auf Initiative Bayerns hat sich die Justizministerkonferenz im Frühjahr 2022 dafür eingesetzt, die Strukturen und die Vernetzung der Länderjustiz im Kampf gegen Antisemitismus weiter zu verstärken. Zum Schutz des jüdischen Lebens in Deutschland sollen die Länder prüfen, Antisemitismus-beauftragte bei den (General-)Staatsanwaltschaften oder vergleichbare Strukturen zu etablieren.
- Im Januar 2020 wurde Deutschlands erster Hate-Speech-Beauftragter vom bayerischen Justizminister bei der Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) bei der Generalstaatsanwaltschaft München zentral für ganz Bayern bestellt. Parallel dazu wurden Sonderdezernate für die Bekämpfung von Hate Speech bei allen 22 bayerischen Staatsanwaltschaften eingerichtet.
- Damit antisemitische Motive nicht im Dunkeln bleiben, haben die drei Antisemitismus-Beauftragten der bayerischen Generalstaatsanwaltschaften einen Leitfaden für Staatsanwälte entwickelt. Mit dem auch international beachteten Leitfaden können antisemitische Motive leichter entschlüsselt werden (z.B. anhand von Nazi-Jahrestagen oder Codes).
- Bayern hat als erstes Bundesland in Deutschland die Arbeitsdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) angenommen.
- Von Seiten der Justiz wurde gemeinsam mit der Bayerischen Polizei eine Informationskarte für Geschädigte von Hasskriminalität, insbesondere Antisemitismus erstellt, welche bayernweit, insbesondere an jüdische Haushalte verteilt wurde. Durch diese sollen insbesondere Geschädigte von antisemitischen Straftaten zur Anzeigenerstattung ermutigt werden. Zudem sollen Hilfsangebote unterbreitet werden.
- Bayern hat sich auch rechtspolitisch in Berlin eingesetzt: Eine judenfeindliche Motivation wird im Gesetz ausdrücklich als strafschärfendes Tatmerkmal genannt. Die Bundesregierung hat den Vorschlag aus dem Freistaat im Jahr 2020 aufgegriffen (§ 46 Absatz 2 Strafgesetzbuch).
- Bayern hat sich seit der Entkriminalisierung der „Sympathiewerbung“ im Jahr 2002 auf Bundesebene wiederholt für eine entsprechende Änderung eingesetzt, u.a. durch Anträge im Bundesrat und Schreiben an den Bundesjustizminister. Derzeit bereitet Bayern eine neue Gesetzesinitiative zur Einbringung in den Bundesrat vor. Eisenreich: „Aus meiner Sicht muss die ‚Sympathiewerbung‘ für terroristische Vereinigungen wieder unter Strafe gestellt werden. Hierzu ist die Strafvorschrift ‚Bildung terroristischer Vereinigungen‘ in § 129a StGB zu ändern. Bis zum Jahr 2002 war die Werbung für terroristische Vereinigungen ohne Einschränkungen strafbar. Erst die rot-grüne Bundesregierung hat die bisherige Tatvariante – gegen Widerstand aus Bayern – ausdrücklich auf das gezielte ‚Werben um Mitglieder und Unterstützer‘ beschränkt. Dies muss so schnell wie möglich rückgängig gemacht werden.“
(c) StMJ, 06.11.2023