Nach dem heutigen Urteil des Hamburgischen Verfassungsgerichts darf das „Volksbegehren gegen den Transport und Umschlag von Rüstungsgütern über den Hamburger Hafen“ nicht durchgeführt werden. Der Entscheidung zufolge ist das Anliegen mit höherrangigem Recht nicht vereinbar. Das Begehren sei darauf gerichtet, Senat und Bürgerschaft zu verpflichten, eine den Zielen der Initiative entsprechende gesetzliche Regelung zu schaffen und diese umzusetzen. Ein solcher verbindlicher Gesetzgebungsauftrag an Senat und Bürgerschaft könne jedoch nicht Gegenstand eines Volksbegehrens sein. Wenn das Ziel in der Schaffung eines Gesetzes liege, müsse ein ausgearbeiteter Gesetzgebungsvorschlag zur Abstimmung gestellt werden. Überdies fehle der Freien und Hansestadt Hamburg für das angestrebte Transport- und Umschlagsverbot die erforderliche Gesetzgebungskompetenz, die ausschließlich beim Bund liege. Die Entscheidung des Gerichts ist einstimmig ergangen.
Auf Antrag des Senats hatte das Verfassungsgericht über die Durchführung des Volksbegehrens zu entscheiden. Dessen Grundlage ist die „Volksinitiative gegen den Transport und Umschlag von Rüstungsgütern über den Hamburger Hafen“, die ab März 2021 Unterschriften für eine Vorlage gesammelt hat, nach der Senat und Bürgerschaft … innerhalb eines Jahres eine Rechtsgrundlage [schaffen], die den Transport und Umschlag von Rüstungsgütern über den Hamburger Hafen verbietet und … zusätzlich alle notwendigen und zulässigen Schritte [unternehmen], um dieses Verbot unverzüglich umzusetzen“. Die Initiative kam Ende 2021 mit den Unterschriften von mehr als 10.000 Wahlberechtigten zustande. Die Hamburgische Bürgerschaft, die sich mit dem Anliegen anschließend zu befassen hatte, verabschiedete keinen der Vorlage der Volksinitiative entsprechenden Beschluss. Die Initiatoren beantragten im April 2022, ein Volksbegehren durchzuführen, woraufhin der Senat das Hamburgische Verfassungsgericht mit dem Feststellungsziel angerufen hat, dass das Volksbegehren nicht durchzuführen sei.
Nach der heutigen Entscheidung des Verfassungsgerichts ist das von der Volksinitiative angestrebte Ziel einer Rechtsgrundlage für ein Transport- und Umschlagsverbot nur durch die Schaffung eines entsprechenden Gesetzes zu erreichen. Allerdings beziehe sich die Volksinitiative nicht auf einen konkreten und ausgearbeiteten Gesetzgebungsvorschlag, sondern lediglich auf einen Auftrag an Senat und Bürgerschaft, das übliche Gesetzgebungsverfahren im Zusammenspiel zwischen Legislative und Exekutive zu durchlaufen und ein entsprechendes Gesetz zu erlassen. Der damit gewählte Weg, mithilfe einer sog. anderen Vorlage, die für andere Gegenstände der politischen Willensbildung gedacht ist, Senat und Bürgerschaft zur Ausarbeitung und Verabschiedung eines Gesetzes zu verpflichten, sei wegen der verbindlichen Wirkung erfolgreicher Volksentscheide unzulässig. Insoweit bestehe ein Unterschied zu Gesetzgebungsaufträgen des Parlaments an die Regierung, die grundsätzlich möglich und politisch wichtig, rechtlich aber stets unverbindlich seien. Werde der Senat aufgefordert, in eigener Verantwortung einen Gesetzentwurf zu erarbeiten und in die Bürgerschaft einzubringen, müsse ihm die Möglichkeit bleiben zu prüfen, ob das Vorhaben aus übergeordneten politischen, rechtspraktischen oder sachlichen Gründen zweckdienlich oder rechtlich zulässig sei. Diese Entscheidungszuständigkeit des Senats würde von der Vorlage übergangen. Denn die Vorlage enthalte eine verbindliche Verpflichtung des Senats zur Einbringung eines Gesetzesvorhabens mit einem vorgeschriebenen Ziel. Zugleich würde in der Verpflichtung der Bürgerschaft zur Verabschiedung des Gesetzes auch eine Verpflichtung eines jeden und einer jeden Abgeordneten liegen, was mit der Freiheit des Mandats unvereinbar wäre.
Für ein gesetzliches Verbot des Transports und des Umschlags von Rüstungsgütern über den Hamburger Hafen würde es der Freien und Hansestadt Hamburg überdies an der Gesetzgebungskompetenz fehlen. Das intendierte Verbot würde die Regelungsbereiche zur Kontrolle von Kriegswaffen, über die Freizügigkeit des Warenverkehrs und den Waren- und Zahlungsverkehr mit dem Ausland sowie das Waffen- und Sprengstoffrecht berühren, für die nach dem Grundgesetz (Art. 26 Abs. 2, 73 Abs. 1 GG) ausschließlich der Bund zuständig sei. Ein Umschlags- und Transportverbot lasse sich auch nicht auf die Befugnis der Länder stützen, das Recht der öffentlichen Sachen zu regeln. Das von der Initiative angestrebte Ziel könne insbesondere nicht durch eine Beschränkung der zulässigen Nutzung des Hamburger Hafens – und damit durch die Widmung bzw. Teilentwidmung einer öffentlichen Sache – erreicht werden. Denn in der Sache bleibe es dabei, dass der materielle Schwerpunkt des Volksbegehrens auf dem Verbot des Transports und Umschlags von Rüstungsgütern liege und den Bereich der ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes betreffe. Eine entsprechende Widmungsbestimmung würde deshalb gegen den Grundsatz der sog. Bundestreue verstoßen, nach dem die Länder verpflichtet seien, die Gesetzgebungskompetenz des Bundes nicht durch anderweitige Regelungen im Gewande einer Widmung zu unterlaufen.
(c) Hamburgisches Verfassungsgericht, 01.09.2023