Die ZKG bei der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg hat unter anderem wegen der Vorwürfe des gewerbsmäßigen Betrugs und der Untreue beim Verfahren um den ersten Bürgermeister der Ostallgäuer Gemeinde Seeg gegen zwei Männer (49, 41 Jahre), unter anderem den Bürgermeister, und eine Frau (31 Jahre) Anklage zum Landgericht Nürnberg-Fürth erhoben.
Beabsichtigter Schaden für die Pflegekasse mit Beteiligung des Bürgermeisters laut Anklageschrift über 2,1 Millionen Euro.
Gesamtvolumen des Untreuevorwurfs gut 2 Millionen Euro.
Die Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen (ZKG) geht aufgrund ihrer Ermittlungen davon aus, dass sich der Seeger Bürgermeister als hauptamtlicher Bürgermeister im Juli 2020 ein Firmengeflecht im Pflegebereich aus mehreren von ihm beherrschten Gesellschaften als zusätzliche Einnahmequelle geschaffen hat. Sein Ziel soll es gewesen sein, seine Unternehmen auch mit unlauteren Mitteln mit frischem Kapital zu versorgen.
Laut Anklageschrift sollen er und der weitere Angeklagte zusammen beim Betrieb von Pflegeeinrichtungen in Seeg in den Jahren 2020 bis 2022 wiederholt die Erstattung von coronabedingten Mehraufwendungen aus dem wegen der Coronapandemie geschaffenen Pflege-Rettungsschirm zu Unrecht geltend gemacht haben, und zwar auch noch nach Schließung des stationären Pflegeheims. So sollen sie von der Pflegekasse Auszahlungen in Höhe von über 1,3 Millionen Euro unberechtigt erhalten haben. Unter anderem sollen Kosten für eine Schneefräse und eine elektronische Schließanlage erstattet worden sein – obwohl die Schließanlage damals noch nicht einmal angeschafft gewesen sein soll. Dabei sollen die beiden Angeschuldigten als Mittäter Scheinrechnungen in Höhe von über 600.000,- Euro hergestellt und vorgelegt haben. Der Seeger Bürgermeister soll gegenüber Mitarbeitern der Pflegekassen wiederholt auf seine Stellung als Bürgermeister und die mit diesem Amt verbundene Vertrauenswürdigkeit verwiesen haben, um schneller an das Geld zu kommen. Bei einem weiteren Betrag von gut 800.000,- Euro soll die Auszahlung noch gestoppt worden sein, weil der Schwindel aufgeflogen war.
Der Bürgermeister soll weiter knapp 1,4 Millionen Euro zum Nachteil des Caritas-Stiftung Seeg e.V. veruntreut haben, und zwar durch grundlose Überweisungen zugunsten eines Privatkontos (500.000,- Euro) bzw. eines Kontos einer von ihm beherrschten Gesellschaft (325.000,- Euro). Zudem soll er in seiner Funktion als Liquidator des Caritas-Stiftung Pflege e.V. dem Verein zustehende Pachtforderungen in Höhe von ca. 570.000,- Euro gegen ein die Räume nutzendes Unternehmen pflichtwidrig nicht geltend gemacht haben und als Geschäftsführer der Caritas-Zentrum Seeg gGmbH pflichtwidrig auf nicht bestehende Forderungen der Ulrichspflege Seeg GmbH 680.000 € bezahlt haben (Gesamtvolumen des Untreuevorwurfs damit gut 2 Mio Euro).
Den weiteren Angeschuldigten, einem Ehepaar, wird in der Anklageschrift außerdem vorgeworfen, sich als Mitarbeiter der betroffenen Pflegeeinrichtungen durch Überweisungen Firmengeldern auf Privatkonten unberechtigt zusammen gut 125.000,- Euro verschafft zu haben. Sie sollen Geld zur Tilgung privater Schulden benötigt haben. Des Weiteren soll sich das Ehepaar ihren im Jahr 2022 neu gegründeten ambulanten Pflegedienst unrechtmäßig Leistungen aus dem Pflege-Rettungsschirm in Höhe von ca. 270.000,- Euro auszahlen lassen haben.
Außerdem soll der angeklagte Bürgermeister am Tag der Durchsuchung in seinem Wohnhaus ohne entsprechende Erlaubnis und damit rechtswidrig Schusswaffen, nämlich ein Gewehr und eine Pistole, sowie Munition aufbewahrt haben.
Die ZKG strebt die Einziehung der offenen Schadensbeträge im Rahmen der Hauptverhandlung an und damit letztlich die Wiedergutmachung der Schäden. Zur Sicherung der Einziehungsbeträge wurden u.a. eine Sicherungshypothek betreffend das Privatgrundstück des Bürgermeisters eingetragen und Gesellschaftsanteile gepfändet.
Zwei derAngeschuldigten befinden sich wegen Fluchtgefahr weiterhin in Haft.
Strafbar gemacht haben sollen sich die Angeschuldigten vor allem wegen gewerbsmäßiger Betrugsdelikte, der angeklagte Bürgermeister zusätzlich unter anderem wegen gewerbsmäßiger Untreue in 37 Fällen und unerlaubten Besitzes von Schusswaffen und Munition.
In dem Ermittlungsverfahren, das in enger Zusammenarbeit mit dem Fachkommissariat K3 der Kriminalpolizeiinspektion Kempten (Allgäu) geführt wurde, wurden über 100 Zeugen befragt. Es wurden 410 in Papierform sichergestellte Beweismittel sowie digitale Daten in einem Volumen von 1,12 Terabyte ausgewertet. Die Wirtschaftsfachkraft der Kriminalpolizeiinspektion Kempten analysierte insgesamt 56 Konten der Angeschuldigten und beteiligten Unternehmen. Begonnen hatten die Ermittlungen aufgrund einer Strafanzeige eines Firmenmitarbeiters.
Der Bürgermeister äußerte sich bislang nicht zum Tatvorwurf. Das Ehepaar zeigte sich hinsichtlich aller Vorwürfe geständig.
Es wird darauf hingewiesen, dass die Angeschuldigten bis zu einer etwaigen rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig gelten.
Über die Zulassung der Anklage und die Eröffnung des Hauptverfahrens muss jetzt das Landgericht Nürnberg-Fürth entscheiden, das bayernweit für solche Verfahren zuständig ist.
Zur Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen (ZKG): Die ZKG ist im Wesentlichen zuständig für Korruptions- und Vermögensstraftaten, die Angehörige der Heilberufe, welche für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung benötigen, im unmittelbaren Zusammenhang mit ihrer Berufsausübung begehen.
Die Zuständigkeit der ZKG erstreckt sich auf den gesamten Freistaat Bayern. Sie umfasst das gesamte Ermittlungs- und Strafverfahren. In den von ihr geführten Verfahren nimmt die Zentralstelle auch die Aufgaben der Vollstreckungsbehörde wahr.
(c) GenStA Nürnberg, 21.08.2023