Der 5. Strafsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat auf die Revision der Staatsanwaltschaft München I ein Berufungsurteil des Landgerichts München I vom 25.01.2022 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das Landgericht München I zurückverwiesen.
Nach den Feststellungen des Landgerichts München I warb der Angeklagte als Vertreter der Bürgerinitiative „Ausländerstopp“ im Frühjahr 2020 im Rahmen des Wahlkampfes für die am 15.03.2020 abgehaltenen Kommunalwahlen für die Wiederwahl in den Münchner Stadtrat mit Flyern und Wahlkampfplakaten. Diese zeigten auf der Vorderseite unter der Überschrift „Raus aus dem Rathaus!“ eine Karikatur des Münchner Kindls vor dem Rathaus. In der verwendeten Darstellung hielt das Münchner Kindl einen Kehrbesen in den Händen. Davor waren insgesamt 5 Personen abgebildet, die vom Münchner Kindl weggekehrt bzw. rausgefegt werden sollten. Bei den 5 abgebildeten Personen handelte es sich um die derzeitige 2. Bürgermeisterin der Landeshauptstadt München, Katrin Habenschaden, um Dominik Krause, damaliger stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Stadtratsfraktion Die Grünen-Rosa Liste, um den Oberbürgermeister, Dieter Reiter, sowie um das damalige Stadtratsmitglied Marian Offman. Unter dieser Illustration stand folgender Text:
„Auf einen groben Keil gehört ein grober Klotz. Was die etablierten Parteien unserem Land – und ganz besonders unserer Stadt München – seit vielen Jahren zumuten, ist unfassbar und unerträglich. Deshalb: Raus aus dem Rathaus!“. Auf der Rückseite des verwendeten Flyers stand nach den Feststellungen des Landgerichts München I der Text: „Deshalb: Volksverräter raus aus dem Rathaus!“, „Am 15. März die einzige Opposition wieder ins Münchner Rathaus wählen: Bürgerinitiative Ausländerstopp. ´Die einzig ECHTE Alternative im Rathaus.`“.
Wegen der Verwendung der Flyer und der Wahlplakate stellten sowohl Katrin Habenschaden als auch Dominik Krause Strafantrag.
Das Amtsgericht München verurteilte den Angeklagten wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 40 €. Das Berufungsgericht hob das Urteil auf und sprach den Angeklagten frei. Hiergegen richtete sich die Revision der Staatsanwaltschaft München I.
Der 5. Strafsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts folgte der Auffassung der von der Generalstaatsanwaltschaft München vertretenen Revision und hob das Berufungsurteil auf. Der Senat hat in seiner Urteilsbegründung zusammengefasst ausgeführt:
Jedem steht zwar das Recht zu, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und in diesem Zusammenhang auch Werturteile über andere Personen abzugeben. Das Recht auf freie Meinungsäußerung gilt jedoch nicht schrankenlos. Insbesondere wird die Meinungsfreiheit durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht begrenzt. Jedenfalls dann, wenn durch herabsetzende Äußerungen die Menschenwürde einer anderen Person angetastet wird oder wenn es sich bei den Äußerungen um Formalbeleidigungen oder Schmähungen handelt, tritt die Meinungsfreiheit hinter den Ehrenschutz in der Regel zurück, ohne dass es einer Einzelabwägung bedarf. Ist dies nicht der Fall, haben die Gerichte bei Äußerungen, mit denen Personen in ihrer Ehre herabgesetzt werden, eine Abwägung vorzunehmen, bei der der Ehrenschutz und die Ausübung des Äußerungsrechts in einen Ausgleich zu bringen sind.
Der 5. Strafsenat hat den Freispruch aufgehoben, weil das Landgericht München I in seiner Entscheidung nicht geprüft hat, ob der Angeklagte mit der Verwendung der Flyer die Menschenwürde der gezeigten Personen angetastet und mit der Bezeichnung „Volksverräter“ eine Formalbeleidigung begangen hat. Ferner hat der 5. Strafsenat in seiner Entscheidung hervorgehoben, dass auch die vom Landgericht München I vorgenommene Einzelabwägung lückenhaft war.
Eine andere Strafkammer des Landgerichts München I hat deshalb nunmehr neu über die Sache zu entscheiden.
Quelle: Bayerisches Oberstes Landgericht, Pressemitteilung vom 10. August 2022