Der 4. Strafsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts, welcher seinen Sitz in Nürnberg hat, hatte sich in einer Revisionsentscheidung mit den Grenzen der Meinungsäußerungsfreiheit gegenüber Richtern auseinanderzusetzen.
Der Angeklagte hatte einen Richter am Amtsgericht als „menschlichen Abschaum“ bezeichnet. Das Amtsgericht Weißenburg hatte ihn mit Urteil vom 21.07.2021 wegen Beleidung in zwei Fällen schuldig gesprochen und zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Sprungrevision zum Bayerischen Obersten Landesgericht eingelegt. Mit Beschluss vom 3. Februar 2022 hat der 4. Strafsenat den Schuldspruch, also die Verurteilung wegen Beleidigung, bestätigt.
Der Senat geht davon aus, dass die Bezeichnung des Amtsrichters als „menschlichen Abschaum“ eine sogenannte Formalbeleidigung darstellt. In diesem Fall trete die Meinungsfreiheit ohne weitere Gewichtung und Einzelfallabwägung hinter den Ehrenschutz zurück. Der Angeklagte habe mit Vorbedacht und nicht nur in der Hitze einer Auseinandersetzung ein nach allgemeiner Auffassung besonders krasses, aus sich heraus herabwürdigendes Schimpfwort verwendet, das eine kontextunabhängig gesellschaftlich absolut missbilligte und tabuisierte Begrifflichkeit darstelle. Die verwendete Beschimpfung lasse das absolute Mindestmaß menschlichen Respekts vermissen und sei deshalb grundsätzlich nicht mit der Meinungsfreiheit vereinbar.
Lediglich ergänzend führt der Senat aus, dass auch bei einer Abwägung widerstreitender Interessen das Recht der Meinungsfreiheit hinter dem Ehrschutz des beschimpften Amtsträgers im konkreten Fall zurücktreten würde. Grundsätzlich gehöre es zum Kernbereich des Rechts auf freie Meinungsäußerung, gerichtliche Entscheidungen ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen zu kritisieren. Aus diesem Grund komme der Meinungsäußerungsfreiheit in diesen Fällen besonders hohes Gewicht zu. Auch scharfe und übersteigerte Äußerungen würden noch dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit unterfallen.
Anders sei der Fall jedoch dann, wenn die Äußerung als äußerst grob herabwürdigend einzuordnen sei. Der abschätzige Begriff „menschlicher Abschaum“ treffe ausschließlich die Person des Richters und nicht dessen Tätigkeiten oder Verhaltensweisen. Der Angeklagte habe genügend alternative Äußerungsmöglichkeiten gehabt, um seine Einwendungen auch mit deutlichen Worten vorzubringen.
Quelle: Bayerisches Oberstes Landgericht, Pressemitteilung vom 22. März 2022