Zum wiederholten Male wurde ein 34-Jähriger gegenüber der Mutter seines 2-jährigen Sohnes handgreiflich. Dass er dem Gefängnis entging, verdankte er der Geschädigten – seiner jetzigen Verlobten – und sehr viel Nachsicht des Gerichts.
Im November 2022 eskalierte ein Streit um das Umgangsrecht über den gemeinsamen 2-jährigen Sohn. Als der Angeklagte diesen nicht wie angeblich vereinbart mit zu sich nehmen durfte, wurde er im Laufe des Streits handgreiflich: einen Kniestoß gegen den Oberschenken und eine Ohrfeige versetze er der Mutter seines Sohnes.
Ans Licht kam dieser Vorfall jedoch erst, als Nachbarn 8 Tage später die Polizei riefen. Der Angeklagte schrie lauthals im Hausflur eines Mehrfamilienhauses herum, als seine Lebensgefährtin ihm nicht die Wohnungstür öffnete. Sie wollte einen erneuten Streit mit ihrem Ex aus dem Weg gehen. Als die Polizei dann eintraf offenbarte sie sich dann den Beamten.
Geschädigte plötzlich die Verlobte
Eine Überraschung kam gleich zu Beginn der Verhandlung. Angesprochen auf einen neuen Wohnsitz gab der Angeklagte an nun mit der Geschädigten wieder zusammenzuwohnen – zudem habe man sich verlobt.
Pikant daran: Als Verlobter steht der Geschädigten dann ein Zeugnisverweigerungsrecht zu. Dies bedeutet, dass sie gegen ihren Verlobten nun keine Aussage vor Gericht machen und ihn dementsprechend nicht belasten muss. Der Richter war ob dieser plötzlichen Entwicklungen „ziemlich angefressen“. Die plötzliche Verlobung stellt gerade in Fällen partnerschaftlicher Gewalt eine oftmals genutzte Verteidigungsstrategie dar. Muss die Geschädigte keine Aussage mehr machen und schweigt der Täter, wird es mit einer Verurteilung schwierig.
Entgegen allen Erwartungen des Gerichts und der Staatsanwaltschaft machte die Geschädigte aber dennoch ihre Aussage und schilderte den Sachverhalt wie angeklagt. Es war ein leichter Kniestoß und eine nicht ganz so heftige Ohrfeige. Schmerzen habe sie nicht lange verspürt, so die Angeklagte in ihrer Vernehmung.
Ihr Lebensgefährte habe sich dramatisch gebessert: „Wir haben jetzt den Papa den wir immer wollten.“ Eine Bestrafung ihres Verlobten wünschte die 38-jährige Mutter nicht mehr.
Das Damokles-Schwert, das die gesamte Verhandlung über dem Angeklagten schwebte, war ein Vorfall aus dem Jahr 2021. Damals hatte es schon einmal Streit mit seiner verlobten gegeben. Die Vorwürfe damals wiegten deutlich schwerer: er drückte seine Partnerin auf das Bett und drehte ihren Arm nach hinten. Nach kurzer Flucht packte er sie an ihrem Pullover und warf sie zu Boden. Anschließend trat er ihr dreimal gegen den Rücken.
Die Quittung: 4 Monate Freiheitsstrafe aus Bewährung.
Eigentlich lautet die Marschroute des Gerichts in solchen Fällen Freiheitsstrafe ohne Bewährung. Allerdings waren hier besondere Umstände zu berücksichtigen, wie der Richter in seiner Urteilsbegründung betonte.
Inhaftierung würde niemandem Nutzen
„Wem würde es nützen, wenn sie jetzt ins Gefängnis gehen?“, fragte der Richter in den Raum. Job weg, kein Unterhalt, Sohn muss Papa im Gefängnis besuchen. Er verurteilte den 34-Jährigen schließlich zu 120 Tagessätzen zu je 40 Euro.
„Es genügt die kleinste Straftat – und sei es der Diebstahl eines Kaugummis und sie fahren ein“, gab der Richter dem Angeklagten abschließend mit auf den Weg.