Das Schöffengericht des Amtsgerichts München verurteilte am 03.04.2023 einen 35-jährigen Mann wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges in Tatmehrheit mit versuchtem gewerbsmäßigem Bandenbetrug zu einer Haftstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten und ordnete die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 45.800 EUR an.
Der Angeklagte war Mitglied einer Schockanruf-Bande aus Polen. Die Vorgehensweise der Tätergruppe bestand darin, die potenziellen Tatopfer telefonisch zu kontak- tieren und unter Vorspiegelung einer Zwangslage zur Übergabe von Bargeld, Schmuck oder sonstigen Wertgegenständen zu veranlassen. Der Angeklagte hatte die Aufgabe, die Tatbeute bei den Geschädigten abzuholen und an die Hintermänner weiterzugeben.
Der Angeklagte war jedenfalls an den folgenden zwei Taten beteiligt:
Im Juli 2022 erhielt die zur Tatzeit 75-jährige Geschädigte S. einen Anruf von einem bislang unbekannten weiblichen Mitglied der Tätergruppierung, die sich als Mitarbeite- rin der Staatsanwaltschaft München I ausgab und der Geschädigten vortäuschte, ihre Tochter habe einen Autounfall verursacht, bei der eine Fahrradfahrerin und Mutter von zwei Kindern verstorben sei. Die Anruferin gab vor, dass sich die Tochter der Geschä- digten bei der Staatsanwaltschaft befände und demnächst dem Haftrichter vorgeführt werden würde. Eine Inhaftierung könne nur durch Zahlung einer Kaution abgewendet werden. Die Geschädigte wurde an einen vermeintlichen Staatsanwalt weitergeleitet, der ihr ebenfalls vorspiegelte, dass dies die einzige Möglichkeit wäre, ihre Tochter vor einer Inhaftierung zu bewahren. Den Vorschlag der Geschädigten, die Kaution unmittelbar bei Gericht einzuzahlen, lehnte der Täter mit der Begründung ab, dies sei aufgrund der Corona-Pandemie nicht möglich. Außerdem befände sich die Familie des Opfers bei Gericht, welche der Mutter der Unfallverursacherin nicht begegnen wolle. Er würde daher einen Kurier zur Abholung des Geldes schicken. Die Geschädigte hob daraufhin einen Betrag in Höhe von 45.800 EUR, den sie für den Kauf eines Elektro- autos angespart hatte, von ihrem Konto ab und übergab das Geld dem Angeklagten. Dieser reichte das Geld an eine unbekannte Person aus der Tätergruppierung weiter und erhielt als Entlohnung 200 EUR.
Im August 2022 versuchte die Tätergruppierung, die zur Tatzeit 70-jährige Geschä- digte B. mit einer ähnlichen Vorgehensweise zur Zahlung einer „Kaution“ in Höhe von 57.000 EUR zu bewegen. Die Täter spiegelten der Geschädigten vor, ihr Enkel habe einen Unfall verursacht und bräuchte das Geld, um eine Inhaftierung zu verhindern. Die Täter gaben sich als Polizeihauptkommissar und Oberkommissarin aus und kün- digten der Geschädigten an, es würde eine Person zur Abholung des Geldes zu ihr nach Hause kommen. Die Geschädigte durchschaute die Betrugsmasche jedoch und ließ sich nur zum Schein auf die Forderungen der Täter ein, während ihr Ehemann die Polizei verständigte. Bei der beabsichtigten Abholung des Geldes konnte der Angeklagte schließlich durch die alarmierten Polizeibeamten festgenommen werden.
Das Gericht führte zur Strafzumessung insbesondere wie folgt aus:
„Zu Gunsten des Angeklagten war das vollumfängliche und von Reue getragene Ge- ständnis zu werten. Der Angeklagte hat hierdurch eine weitere umfangreiche Beweis- aufnahme erspart. Zudem hat sich der Angeklagte bei der Geschädigten S. aufrichtig entschuldigt. (…) Zudem war hier zu sehen, dass der Angeklagte über die polnische Plattform OLX, bei der es sich um eine Internetkleinanzeigenplattform handelt, von den Hintermännern der Bande zunächst gutgläubig angeworben wurde, und er somit ge- schickt für die Betrugstaten angeworben und hineingezogen wurde. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass er sich in schwierigen finanziellen Verhältnissen befand und eigentlich nach einer redlichen Arbeit suchte. (…)
Zu Lasten des Angeklagten war jedoch zu berücksichtigen, dass der Geschädigten S. ein hoher materieller und auch immaterieller Schaden entstanden ist, da sie (…) infolge des Vorfalls viel misstrauischer und ängstlicher geworden ist. Sie wurde daher in ihrem Sicherheitsgefühl erheblich beeinträchtigt. Weiter ist zu Lasten des Angeklagten die erhebliche kriminelle Energie bei der bandenmäßigen Begehung der Taten zu berücksichtigen, welche die einer Bande grundsätzlich innewohnende und vom Gesetzgeber bei der Erhöhung des Strafrahmens berücksichtigte erhöhte Gefährlichkeit des Zusammenschlusses mehrerer Personen noch übersteigt.
Schließlich war auch der Gedanke der Generalprävention zu beachten. (…) Trotz zahlreicher präventiver Maßnahmen der Polizei kommt es weiterhin häufig zu entsprechenden Betrugstaten. Daher müssen derartigen Taten eindrucksvoll geahndet werden, damit klar erkennbar gemacht wird, das deutsche Gerichte dergleichen Taten mit Entschlossenheit entgegentreten.“
Urteil des Amtsgerichts München vom 03.04.2023
Aktenzeichen 843 Ls 381 Js 169914/22
Das Urteil ist rechtskräftig.