Mit Urteil vom 02.03.2023 hat das Amtsgericht Hannover durch den Richter am Amtsgericht Dr. Dick entschieden, dass ein Reisender einen Pauschalreisevertrag, der unter anderem die Erbringung einer Beförderungsleistung (hier: Flug von Düsseldorf nach Griechenland), nicht bereits deswegen kündigen kann, weil der Reiseveranstalter den Flug durch ein anderes Luftfahrtunternehmen als zunächst vereinbart durchführen lässt.
Zum Sachverhalt:
Der Kläger hatte bei der Beklagten eine Pauschalreise nach Griechenland gebucht, die unter anderem eine Beförderung durch die Fluggesellschaft T. zum Gegenstand hatte, und den vertraglich vereinbarten Reisepreis in Höhe von 3.873 Euro gezahlt. Am 03.06.2022 hatte der Kläger am Flughafen Düsseldorf nach erfolgtem Check-In die Information erhalten, dass die Beförderung nach Griechenland nicht von der Fluggesellschaft T., sondern von der Fluggesellschaft L. durchgeführt werde, die im Jahr 2020 gegründet worden war. Aufgrund von Bedenken bezüglich der Flugsicherheit bei dieser Gesellschaft hatte der Kläger gegenüber der Beklagten sogleich den Rücktritt vom Reisevertrag erklärt und die Reise abgebrochen.
Der Kläger hat im Verfahren vorgetragen, bei der Buchung der Reise großen Wert auf eine renommierte Fluggesellschaft gelegt zu haben und aufgrund von Rückenschmerzen auf die Verfügbarkeit der von ihm reservierten Sitzplätze und des Bordservice angewiesen gewesen zu sein, was bei der ihm unbekannten Fluggesellschaft L. nicht gewährleistet gewesen sei. Die Beförderung mit dieser Gesellschaft sei ihm nicht zuzumuten gewesen, zumal ihm angesichts der kurzfristig bekannt gegebenen Änderung die Möglichkeit ihrer Überprüfung genommen worden sei. Die Beklagte sei in Anbetracht dieser erheblichen Vertragsänderung verpflichtet, ihm den Reisepreis zu erstatten und ihm Schadensersatz zu leisten.
Die Beklagte hat vorgetragen, die erfolgte Änderung des ausführenden Luftfahrtunternehmens begründe keinen Mangel der Reise, da die Fluggesellschaft L. – dieses war zwischen den Parteien unstreitig – eine nach den Vorschriften des Luftfahrt-Bundesamtes zugelassene Fluggesellschaft mit Sitz in Köln sei, die ebenso unter Einhaltung der Vorschriften der EASA europaweit beanstandungs- und fehlerfrei Flüge durchführe. Auch der streitgegenständliche Flug sei pünktlich und beanstandungsfrei durchgeführt worden. Im Übrigen sei die Beauftragung eines Subcharters nach den Vorgaben des Europarechts und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu dem Zweck einer pünktlichen Beförderung des Klägers geboten gewesen.
Das Gericht hat die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen heißt es auszugsweise:
Gemäß § 651l Abs. 1 BGB kann der Reisende den Vertrag kündigen, unter anderem wenn die Pauschalreise durch den Reisemangel erheblich beeinträchtigt wird, mithin ein Reisemangel im Sinne des § 651i Abs. 2 BGB gegeben ist. In dem vorliegenden Sachverhalt kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob die von der Beklagten vorgenommene und dem Kläger erst vor dem Boarding mitgeteilte Änderung des ausführenden Luftfahrtunternehmens einen Reisemangel im Sinne des § 651i Abs. 2 Satz 1 BGB begründet […]. Ein Reisemangel im vorgenannten Sinne wäre hingegen nicht erheblich. Für die Feststellung der Erheblichkeit einer Reisebeeinträchtigung ist nach überzeugender allgemeiner Auffassung maßgeblich, wie gravierend sich der Mangel für den Reisenden ausgewirkt hat und welchen Anteil der Mangel in Relation zur gesamten Reiseleistung hat. Dabei ist das Maß, mit dem ein Mangel die Reise beeinträchtigt, aufgrund einer an Zweck und konkreter Ausgestaltung der Reise sowie Art und Dauer der Beeinträchtigung orientierten Gesamtwürdigung zu beurteilen. Diese Gesamtwürdigung ist aus der Sicht eines Durchschnittsreisenden orientiert am Reisezweck und Reisecharakter unter Würdigung aller Umstände vorzunehmen, wobei eine hohe Minderungsquote ein Indiz sein kann, eine bestimmte Minderungsquote aber nicht Voraussetzung für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Reise ist. Hiervon ausgehend muss die Reise in ihrer Gesamtheit objektiv erheblich beeinträchtigt sein […].
Daran gemessen kann in dem vorliegenden Sachverhalt aus der maßgeblichen Sicht eines Durchschnittsreisenden ungeachtet der Änderung des ausführenden Luftfahrtunternehmens ein zur Kündigung der Reise berechtigender erheblicher Reisemangel nicht festgestellt werden. Gegenstand der Reise waren neben der für die Realisierung des Reisezwecks vorausgesetzten Beförderung des Klägers und seiner Mitreisenden per Flug nach Griechenland in erster Linie seine Unterbringung und all-inclusive-Verpflegung in einem Hotel in einem Reisezeitraum von einer Woche. Zwar kommt auch den Flügen zum Urlaubsort – nicht zuletzt unter den Gesichtspunkten der Sicherheit und Pünktlichkeit – erhebliche Bedeutung zu. Im Gegensatz zu der Unterbringung, der umfassenden all-inclusive-Verpflegung und Betreuung im Hotel mit seinem vertraglich im Einzelnen vereinbarten Leistungsangebot, die insofern im Vordergrund der beklagtenseits zu erbringenden Leistungen standen, stellen die Flüge eine für die Durchführung der Reise notwendige Leistung von vergleichsweise geringerem Gewicht dar. Hinsichtlich des von der L. für die Beklagte durchgeführten Fluges nach Griechenland ist zwischen den Parteien unstreitig, dass er pünktlich und ohne Beanstandungen durchgeführt wurde. Bestimmte Flugsicherheitsmängel bei Flügen der L. oder lediglich konkrete Anhaltspunkte für deren Vorliegen in der Vergangenheit hat der Kläger nicht vorgetragen. Anhaltspunkte in diesem Sinne ergeben sich jedenfalls nicht bereits aufgrund der geringen Anzahl von im Besitz der L. befindlichen Luftfahrzeugen oder des Zeitpunkts der Erteilung ihrer Zulassung, da ein allgemeiner Erfahrungssatz dahingehend, dass kleine oder neu gegründete Fluggesellschaften unzuverlässiger oder unsicherer seien als ältere oder größere, nicht existiert. Damit beruhte die Entscheidung des Klägers, nach erfolgtem Check-In die Reise abzubrechen bzw. zu kündigen, letztlich auf einer lediglich abstrakten Sorge, dass die L. ihm nicht die Sicherheit und den Komfort bieten werden, wie er dies bei der T. erwartet hätte. Aus der objektiven Sicht eines Durchschnittsreisenden, die zur Entscheidung des in Rede stehenden Sachverhalts maßgeblich ist, ist vor diesem Hintergrund allenfalls ein Reisemangel von vergleichsweise geringem Gewicht gegeben, der lediglich einen Teil der Reise, die gegenüber den übrigen Reiseleistungen nachrangige Beförderung zwei Reisetagen betroffen hätte; eine objektiv erhebliche Beeinträchtigung der gesamten Reise ist insoweit nicht zu erkennen.
Quelle: Amtsgericht Hannover, Pressemitteilung vom 18. April 2023