Die Anbringung eines GPS-Trackers am Rollator einer Person, die in einem Pflegeheim lebt, kann eine freiheitsentziehende Maßnahme darstellen und muss dann vom Betreuungsgericht genehmigt werden.
Soll an dem Rollator einer Person, die in einem Pflegeheim lebt und die dauerhaft zeitlich und örtlich nicht mehr orientiert ist, ein GPS-Tracker angebracht werden, kann dies eine freiheitsentziehende Maßnahme im Sinne von § 1831 Absatz 4 Bürgerliches Gesetzbuch darstellen. Ist die Person nicht mehr einwilligungsfähig, ist dafür eine Genehmigung des Betreuungsgerichts erforderlich (Beschluss vom 12.01.2024, 11 XVII K 3258).
Was ist passiert?
Die 92-jährige Betroffene wohnt in einem Pflegeheim. Sie leidet unter einer mittelschweren Demenz und motorischer Unruhe. Gestützt auf ihren Rollator kann sie noch längere Strecken zu Fuß zurücklegen und tut dies auch häufig, in jüngster Zeit gerne auch nachts. Wiederholt hat sie sich dabei bereits verlaufen und den Weg zurück nicht mehr gefunden, so dass sie von der Polizei zurückgebracht werden musste.
Deshalb hat die Vorsorgebevollmächtigte, die Tochter der Betroffenen, jetzt einen Antrag auf Genehmigung eines GPS-Trackers am Rollator gestellt. Sobald die Betroffene damit das Heim verlässt, erhält die Bevollmächtigte eine Nachricht und kann sehen, ob sich die Betroffene noch in unmittelbarer Nähe des Heims aufhält. Wenn sie den Garten des Heims oder den angrenzenden Park verlässt und verwirrt durch den Ort läuft oder sich nachts und bei Minustemperaturen auf den Weg macht, bringt die Bevollmächtigte die Betroffene zurück oder sie informiert die Polizei oder das Pflegepersonal, die die Betroffene dann zurückführen.
Wie hat das Betreuungsgericht entschieden?
Das Betreuungsgericht hat die Entscheidung der Bevollmächtigten, in die GPS-Überwachung der Betroffenen einzuwilligen, gerichtlich genehmigt.
Bei dem GPS-Tracker handelt es sich um eine sogenannte freiheitsentziehende Maßnahme, die die in Artikel 2 des Grundgesetzes garantierte Fortbewegungsfreiheit der Betroffenen einschränkt. Ziel ist es, die Betroffene daran zu hindern, das Grundstück des Pflegeheims und die direkte engere Umgebung (angrenzenden Park) zu verlassen.
Dieser Sachverhalt stand zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der durchgeführten Ermittlungen fest. So hat der Betreuungsrichter eine Stellungnahme des Hausarztes ausgewertet, eine Stationspflegerin befragt und sich schließlich bei einer persönlichen Anhörung der Betroffenen einen eigenen unmittelbaren Eindruck von ihr verschafft.
Zum Hintergrund:
Maßgeblich für die Einordnung eines GPS-Trackers als freiheitsentziehende Maßnahme im Sinne von § 1831 Absatz 4 Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ist die Einschränkung der Fortbewegungsfreiheit der Betroffenen im Sinne einer Aufenthaltsbestimmungsfreiheit insoweit, dass die Betroffene auf einen bestimmten, räumlich umgrenzten Bereich beschränkt wird, den sie nicht selbstständig verlassen kann. Ob die Betroffene durch Zäune, verschlossene Türen oder durch Personal, das sie am Verlassen der Einrichtung hindert, festgehalten wird, ist unerheblich. Es reicht allerdings für die Annahme einer Unterbringung nicht aus, wenn die Betroffene lediglich durch Zureden oder Überreden vom Verlassen der Einrichtung abgehalten wird. Werden Personenortungsanlagen eingesetzt, liegt eine Unterbringung vor, wenn die außerhalb eines umgrenzten Bereichs Angetroffene wieder in diesen Bereich zurückgebracht wird.
§ 1831 Absatz 4 BGB gilt gleichermaßen für Krankenhäuser, Altersheime, Pflegeheime, auch privat betriebene Seniorenresidenzen oder vergleichbare Einrichtungen, z.B. Senioren-WGs.
Jede gezielte Behinderung des Betroffenen in seinem Wunsch, den bisherigen Aufenthaltsort zu verlassen, ist genehmigungsbedürftig.
Die betreuungsgerichtliche Genehmigung der unterbringungsähnlichen Maßnahme ist eine Legitimation für den mit der Maßnahme verbundenen Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz). Unterbringungsähnliche Maßnahmen, die ohne betreuungsgerichtliche Genehmigung vorgenommen werden, stellen sich strafrechtlich als Freiheitsberaubung bzw. Körperverletzung dar.
Selbst wenn sich der Betroffene bereits in einer geschlossenen Einrichtung aufhält und zusätzlich eine Maßnahme nach § 1831 Abs. 4 BGB vorgenommen werden soll, ist eine Genehmigung der unterbringungsähnlichen Maßnahme erforderlich. Die Freiheitsentziehung mittels unterbringungsähnlicher Maßnahmen ist ein zusätzlicher Eingriff in das Grundrecht auf Fortbewegungsfreiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz).
(c) AG Bad Iburg, 06.05.2024