Heute fand die diesjährige Jahrestagung der Präsidentinnen und Präsidenten der Obergerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit ihren Abschluss mit einem Pressegespräch im Oberlandesgericht Oldenburg. 22 Präsidentinnen und Präsidenten der Oberlandesgerichte aus dem gesamten Bundesgebiet, die Präsidentin des Bayrischen Obersten Landesgerichts, der Präsident des Kammergerichts und die Präsidentin des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe waren der Einladung der Präsidentin des Oberlandesgerichts Oldenburg, Anke van Hove, gefolgt und haben sich vom 15. bis 17. Mai zur 75. Jahrestagung in der historischen Kulisse des Alten Landtags eingefunden. Die Konferenz diente dem fachlich-kollegialen und strategischen Austausch zu aktuellen Belangen der Rechtsprechung, der Justizverwaltung und der Gesetzgebung.
„Es freut mich außerordentlich, dass das Oberlandesgericht Oldenburg nach 25 Jahren wieder Gastgeber einer Jahreskonferenz sein darf“, so die gastgebende Präsidentin van Hove zum Auftaktempfang am Montag.
Im Verlauf der dreitägigen Konferenz haben die Präsidentinnen und Präsidenten mit nahezu 20 Tagesordnungspunkten vielfältige Fragestellungen aus dem gesamten Spektrum der Justiz diskutiert. Im Mittelpunkt standen neben Digitalisierungsfragen – wie der Videoverhandlung im Zivilprozess sowie der audiovisuellen Aufzeichnung von Strafverhandlungen – auch der Umgang mit zivilprozessualen Massenverfahren und damit Themen, die den Rechtsstaat gegenwärtig besonders bewegen. Weitere Schwerpunkte bildeten die jüngste arbeitsgerichtliche Rechtsprechung zur tariflichen Eingruppierung von Justizbediensteten, die Anhebung des Zuständigkeitsstreitwertes bei den Amtsgerichten, Aspekte der Personalbedarfsberechnung sowie Maßnahmen der dienstübergreifenden Nachwuchsförderung.
Die Präsidentinnen und Präsidenten formulierten ein starkes Bekenntnis zu einer modernen und innovationsbereiten Justiz. Sie stellten jedoch heraus, dass die rechtsstaatlichen Prinzipien auch im Zeitalter der Digitalisierung nicht zur Disposition gestellt werden dürften und mahnten, dass auch das Prozessrecht „mitwachsen“ und dem neuen Umfeld der Digitalisierung Rechnung tragen müsse. Gleichzeitig bekräftigten sie die Forderung nach einer angemessenen Ausstattung mit verlässlicher und anwenderfreundlicher Technik sowie nach einem personellen Unterbau für einen IT-Support in den Gerichten. Sie stellten schließlich übereinstimmend einen erheblichen Investitionsbedarf fest, der länderübergreifend nach politischen Antworten verlange.
Die Präsidentinnen und Präsidenten fassten einen grundsätzlich befürwortenden Beschluss zur weiteren Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit, der jedoch auch Überarbeitungsbedarf an dem Referentenentwurf und bei der technischen Ausstattung der Gerichte aufzeigt. So müsse auch im Falle vollständig virtueller Verhandlung dem verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsgrundsatz zur effektiven Durchsetzung verholfen und die Würde der Gerichtsverhandlung erhalten werden. Im Vertrauen auf das richterliche Augenmaß sprachen sie sich zudem für die Beibehaltung des Systems der Unanfechtbarkeit prozessleitender Verfügungen und gegen ein Beschwerderecht betreffend die Ablehnung einer Videoverhandlung aus.
In Bezug auf die geplante Anhebung der Zuständigkeitsstreitwerte bei den Amtsgerichten betonten die Konferenzteilnehmer das Erfordernis einer an der Belastungsrealität der Gerichte orientierten Personalbedarfsberechnung, um eine Stärkung der Amtsgerichte auch effektiv zu erzielen. Mit Blick auf die Gesamtbelastung könne die Lösung nicht in einer bloßen Personalverlagerung im Instanzenapparat liegen.
Hierneben diskutierten die Präsidentinnen und Präsidenten die Folgen der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung zur tariflichen Eingruppierung von Justizangestellten, die auch eine zeitnahe Reaktion des Besoldungsgesetzgebers erfordere. Insoweit betonten sie einhellig das Erfordernis qualifikationsangemessener Vergütung, dem unter Beachtung des Abstandsgebotes dienst- und statusübergreifend Rechnung getragen werden müsse. Die Gewährleistung einer attraktiven Besoldung sei auch mit Blick auf den zunehmenden Wettlauf im Bereich der Nachwuchsgewinnung und dort nicht nur im Rechtspflegerdienst ein relevanter Faktor.
„Es war ein äußerst gewinnbringender Austausch an einem der geschichtsträchtigsten Orte unserer Stadt. Wir haben bedeutende Themen diskutiert, vielversprechende Arbeitsgruppen eingesetzt und wichtige Beschlüsse gefasst. Besonders freut mich, dass wir so geschlossen formulieren konnten, dass Justiz und Moderne nicht im Widerspruch, sondern in symbiotischer Beziehung zueinander stehen“, so das Resümee der Präsidentin des Oberlandesgerichts Oldenburg.
Quelle: OLG Oldenburg, Pressemitteilung vom 17. Mai 2023