Manche Gerichte und Gesetze haben eine Geschichte, die viele Jahrzehnte zurückreicht. Regelrecht jung – 20 Jahre! – ist dagegen die gerichtsnahe Mediation: ein Verfahren, in dem die Parteien eines Gerichtsprozesses mit Unterstützung ihren Konflikt selbständig lösen.
Am 1. März 2002 hat die niedersächsische Justiz damit begonnen, Mediationen für streitende Parteien anzubieten. Den Start machten damals Richterinnen und Richter an sechs Pilotgerichten (Landgerichte Göttingen und Hannover, Amtsgerichte Hildesheim und Oldenburg sowie Sozialgericht und Verwaltungsgericht Hannover). Das niedersächsische Pilotprojekt hatte maßgeblichen Anteil daran, dass Güterichterverfahren Eingang in die Prozessordnungen gefunden haben.
Die Justiz nutzt dieses Jubiläum, um vom 14. bis 17. Juni 2022 in verschiedenen Veranstaltungen gemeinsam mit der Anwaltschaft über Gegenwart und Zukunft des Güterichterverfahrens zu diskutieren – und um Bürgerinnen und Bürger über die Mediation beim Güterichter zu informieren. An mehreren Gerichtsstandorten in Niedersachsen finden Veranstaltungen statt.
Justizministerin Barbara Havliza freut sich über das umfangreiche Programm, das die Justiz in Niedersachsen organisiert hat. „Mein Dank gilt den vielen Kolleginnen und Kollegen, die diese „Tage der Mediation“ organisiert haben. Und er gilt den Kolleginnen und Kollegen, die seit 20 Jahren die Entwicklung der gerichtsnahen Mediation und Güterichterverhandlungen vorantreiben. Was vor 20 Jahren für viele undenkbar schien, ist heute bundesweite Realität in den Gerichten. Die Justiz in Niedersachsen hat daran einen großen Anteil.“
Die Ministerin freut sich vor allem über die Beteiligung der Anwaltschaft. „Von Beginn an war klar, dass das Projekt „Gerichtsnahe Mediation“ nur gemeinsam mit den Anwältinnen und Anwälten möglich sein würde. Deshalb freue ich mich ganz besonders, dass wir mit der Anwaltschaft einen Blick auf Gegenwart und Zukunft der Verhandlungen beim Güterichter werfen werden.“
Was passiert wann und wo?
- Am 14. Juni 2022 wird ab 10 Uhr in der Ritterakademie in Lüneburg die Mediation als Konfliktlösung in fachgerichtlichen Verfahren beleuchtet. Alle Fachgerichtsbarkeiten haben sich in die Organisation der Veranstaltung eingebracht (Nds. Oberverwaltungsgericht, Landessozialgericht Nds.-Bremen, Landesarbeitsgericht Nds., Nds Finanzgericht). Nach einem Kurzvortrag zur Geschichte der Mediation in der Fachgerichtsbarkeit Niedersachsens findet eine Schaumediation statt; daran beteiligt sind die Mediationsstelle Brückenschlag e.V. und Richterinnen und Richter der Fachgerichtsbarkeiten. Es schließt sich eine Diskussion zu dem Thema „Konfliktlösung durch Mediation an den Fachgerichten“ an.
- Am 15. Juni 2022 findet ab 16.30 Uhr beim Landgericht Osnabrück eine Podiumsdiskussion statt. Diese wird gemeinsam mit den Amtsgerichten Bersenbrück und Bad Iburg organisiert. Mehrere Aspekte des Themas sollen hier angesprochen werden: Kommunikation, Emotionalität, die anwaltliche Perspektive, wissenschaftliche Begleitforschung und vieles mehr. Justizministerin Barbara Havliza oder Staatssekretär Dr. Frank-Thomas Hett werden an der Veranstaltung teilnehmen.
- Am 16. Juni 2022 wird ab 16 Uhr wird im Landgericht Göttingen zu „20 Jahre Mediation: Was kommt nun?“ diskutiert. Auf dem Podium vertreten sind unter anderem der Präsident des Oberlandesgerichts (OLG) Braunschweig, Wolfgang Scheibel, die Präsidentin des Deutschen Anwaltvereins, Edith Kindermann, der Vorsitzende des Göttinger Anwaltsvereins, Jan Thomas Ockershausen, und der Präsident des OLG Celle a.D., Dr. Peter Götz von Olenhusen, der mit dem Landgericht Göttingen eines des Pilotgerichte geleitet hat.
- Am 16. Juni 2022 findet ab 17.30 Uhr am Conti-Campus der Leibnitz Universität Hannover eine interdisziplinäre Veranstaltung statt. Das OLG Celle, die Rechtsanwaltskammer Celle und das Institut für Anwalts- und Prozessrecht der Leibnitz Universität Hannover organisieren ein Panel zum Thema „20 Jahre Gerichtsnahe Mediation – Anwalt- und Richterschaft im Dialog“. Rechtsanwalt Dr. Thomas Remmers gibt eine Einführung zum Thema. Auf dem Podium diskutieren sodann die Präsidentin des OLG Celle, Stefanie Otte, Rechtsanwältin Gabriele Küch, Rechtsanwalt Daniel Rosandic-Bruns sowie der Vorsitzender Richter am OLG, Martin Schulz. Niedersachsens Justizministerin Barbra Havliza wird ein Grußwort zum Thema sprechen.
- Am 17. Juni 2022 findet ab 14 Uhr beim OLG Celle ein „Tag der Mediation“ mit Informationen und Live-Mediationen für interessierte Bürgerinnen und Bürger statt.
- Das OLG Celle zeigt bis zum 23. Juni 2022 während der Öffnungszeiten die Ausstellung der Deutschen Stiftung Mediation mit zahlreichen Informationen. Die Ausstellung wurde in Niedersachsen erstellt und 2012 offiziell an die Stiftung übergeben; sie wird seitdem durch die Stiftung bundesweit präsentiert und weiterentwickelt.
Was versteht man unter gerichtsnaher Mediation?
Ein Rechtsstreit ist für die streitenden Parteien oft belastend. Gute persönliche oder geschäftliche Beziehungen zu Familienangehörigen, Vermietern, Nachbarn oder Geschäftspartnern können beeinträchtigt werden. Die Mediation als strukturiertes Verfahren hilft den Parteien eines laufenden Gerichtsprozesses dabei, mit Unterstützung einer Mediatorin oder eines Mediators ihren Konflikt selbständig zu lösen. Sie können dadurch häufig eine weitere Eskalation des Konflikts vermeiden und in die Mediation auch Themen außerhalb des eigentlichen Rechtsstreites einbeziehen, für die sie eine umfassende Lösung finden möchten.
Mittlerweile ist die Güterichterverhandlung als gerichtliches Angebot neben der streitigen Entscheidung gesetzlich in den Verfahrensordnungen verankert. An nahezu allen niedersächsischen Gerichten sind ausgebildete Güterichterinnen und Güterichter tätig. Die Parteien eines Rechtsstreits können in jeder Lage des Verfahrens frei darüber entscheiden, ob sie eine Mediation beim Güterichter durchführen möchten. Güterichterinnen und Güterichter haben keine Entscheidungsgewalt. Sie sind niemals der entscheidende Richter, sondern das sind immer andere Kolleginnen und Kollegen. Das Verfahren ist vertraulich. Während der Dauer des Güterichterverfahrens wird der streitige Prozess nicht weiter betrieben. Nähere Informationen finden Sie im Justizportal der niedersächsischen Justiz .
Quelle: Niedersächsisches Justizministerium, Pressemitteilung vom 31. Mai 2022