GvW-Partner Dr. Arne Schmidt hat den Insolvenzverwalter Dr. Sven Holger Undritz erfolgreich in einem Grundsatzverfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH) vertreten. Mit dem nun veröffentlichten Urteil vom 24. August 2023 (Az. V R 29/21) hat der V. Senat des BFH eine bislang offene Grundsatzfrage des Insolvenzsteuerrechts im Sinne des Insolvenzverwalters entschieden. Eine Vorsteuerberichtigung aufgrund einer Drittanfechtung stellt danach keine Masseverbindlichkeit dar.
In dem streitgegenständlichen Verfahren war die Insolvenzschuldnerin („A GmbH“) Teil einer Unternehmensgruppe und hatte vor Insolvenzeröffnung Leistungen bezogen, für die sie den Vorsteuerabzug in Anspruch genommen hatte. Die Eingangsrechnungen wurden jedoch nicht von der A GmbH, sondern von ihrer Mutter- sowie einer Schwestergesellschaft bezahlt. Nachdem bei allen drei Gesellschaften das Insolvenzverfahren eröffnet war, erklärte der Insolvenzverwalter der Mutter- und Schwestergesellschaft erfolgreich die Anfechtung der vorinsolvenzlich geleisteten Zahlungen. Das Finanzamt war der Auffassung, dass nach der Rückzahlung an die Mutter- und Schwestergesellschaft eine Vorsteuerberichtigung bei der Insolvenzschuldnerin vorzunehmen ist, die die Leistungen bezogen und den Vorsteuerabzug geltend gemacht hatte. Das Finanzamt setzte die Vorsteuerberichtigung als Masseverbindlichkeit gegenüber dem Insolvenzverwalter der A GmbH fest. Die A GmbH sollte folglich mit einer Masseverbindlichkeit belastet werden, obwohl die Anfechtungszahlungen nicht ihr, sondern ihrer Mutter- und Schwestergesellschaft zugeflossen waren.
Während das Finanzgericht noch der Auffassung des Finanzamts gefolgt war, hob der BFH das Urteil des Finanzgerichts und den streitigen Umsatzsteuerbescheid auf. Der V. Senat des BFH bestätigte zwar, dass eine Vorsteuerberichtigung durchzuführen sei. Anders als bei einer Anfechtung im Zweipersonen-Verhältnis komme es bei einer Drittanfechtung nicht darauf an, dass das angefochtene Entgelt von dem Leistungsempfänger vereinnahmt werde. Allerdings stellte der BFH fest, dass die Vorsteuerberichtigung keine vorrangig zu befriedigende Masseverbindlichkeit ist und daher nicht durch Steuerbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter der A GmbH geltend gemacht werden darf. Denn weder beruht die Vorsteuerberichtigung auf einer Handlung dieses Insolvenzverwalters, noch wurde sie in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung oder Verteilung der Insolvenzmasse der A GmbH begründet. Der V. Senat des BFH stellte klar, dass die Anfechtungshandlungen bei der Mutter- und Schwestergesellschaft nicht der A GmbH zugerechnet werden können, da kein einheitliches Konzerninsolvenzverfahren existiert. Auch die bloße Verwirklichung des Steuertatbestandes nach Insolvenzeröffnung und die vorinsolvenzliche Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs reichen nicht zur Begründung einer Masseverbindlichkeit aus. Ob es sich stattdessen um eine Insolvenzforderung oder um eine Forderung gegen das insolvenzfreie Vermögen handelt, musste der BFH nicht entscheiden.
Eine Entscheidung des BFH zu den umsatzsteuerlichen Folgen einer Drittanfechtung war in Fachkreisen lange erwartet worden. Sie sorgt für ein weiteres Stück Rechtssicherheit im Insolvenzsteuerrecht. Der BFH hat deutlich gemacht, dass nicht jeder nach Insolvenzeröffnung verwirklichte Steuertatbestand zu einer den Fiskus begünstigenden Masseverbindlichkeit führt. Die Entscheidung ist daher aus Sicht der Insolvenzpraxis sehr zu begrüßen.
GvW hat den Insolvenzverwalter Dr. Sven Holger Undritz vor dem BFH durch den Hamburger Partner Dr. Arne Schmidt vertreten.
Weitere Beteiligte
White & Case LLP: Dr. Sven-Holger Undritz (Insolvenzverwalter), Dr. Ellen Meyer-Sommer