Die Bundesanwaltschaft hat vorgestern (22. August 2023) aufgrund eines Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 15. Juni 2023 den deutschen Staatsangehörigen Ulli S. bei seiner Ankunft am Flughafen Frankfurt (Main) durch Beamte des Zollfahndungsamtes Stuttgart festnehmen lassen. Der Beschuldigte war seit 10. August 2023 auf Grundlage eines europäischen Haftbefehls in Frankreich inhaftiert und von dort zum Zwecke der Strafverfolgung nach Deutschland überstellt worden.
Der Beschuldigte ist dringend verdächtig, in mehreren Fällen gewerbsmäßig gegen das Außenwirtschaftsgesetz verstoßen zu haben (§ 17 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 AWG; § 18 Abs. 1 Nr. 1 a), Abs. 5 Nr. 2, Abs. 7 Nr. 2 AWG i.V.m. jeweils einschlägigen Vorschriften der Europäischen Union).
In dem Haftbefehl wird ihm im Wesentlichen folgender Sachverhalt zur Last gelegt:
Ulli S. war Geschäftsführer eines in Baden-Württemberg ansässigen Unternehmens für die Produktion und den Handel moderner Werkzeugmaschinen. In diesem Zusammenhang pflegte er langjährige Geschäftsbeziehungen zu russischen Waffenproduzenten. Wegen der russischen Annexion der Krim verhängte die Europäische Union im Jahr 2014 umfangreiche Handelsbeschränkungen, die neben einem Embargo für Rüstungsgüter auch die Ausfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck untersagen (Beschluss 2014/512/GASP des Rates der Europäischen Union vom 31. Juli 2014 und Verordnung (EU) Nr. 833/2014 des Rates der Europäischen Union).
Im Frühjahr 2015 schloss der Beschuldigte mit einem russischen Waffenproduzenten drei Verträge über die Lieferung von insgesamt sechs Werkzeugmaschinen samt Zubehör. Die Maschinen wurden für die Serienproduktion von Scharfschützengewehren benötigt. Zur Verschleierung der Geschäfte bediente sich Ulli S. anderer von ihm gegründeter Unternehmen sowie eines weiteren russischen Unternehmens. Die Lieferungen erfolgten im Sommer und Herbst 2015 ebenfalls unter Einbindung von Drittunternehmen über die Schweiz, in einem Fall über Litauen. Das Auftragsvolumen des Verkaufs der Maschinen betrug rund zwei Millionen Euro. Ein Vertrag mit dem russischen Waffenproduzenten umfasste außerdem die Einrichtung der Maschinen sowie die Schulung der Mitarbeiter. Diese Leistungen erbrachten Angestellte des Beschuldigten in den Jahren 2015 und 2016.
Zudem erwarb der Beschuldigte Anfang 2015 über sein Unternehmen von dem russischen Geschäftspartner vier Scharfschützengewehre zu Testzwecken zum Preis von 22.000 Euro und führte sie nach Deutschland ein. Um vorzugeben, dass ein Altvertrag vorliegt, der nicht unter das Embargo fällt, datierte Ulli S. den Kaufvertrag um ein Jahr vor.
Der Beschuldigte wurde gestern (23. August 2023) dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt, der ihm den Haftbefehl eröffnet und diesen in Vollzug gesetzt hat.
(c) Generalbundesanwalt, 24.08.2023