Die Bundesanwaltschaft hat am 26. Februar 2024 vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Dresden Anklage gegen die deutsche Staatsangehörige Susann E. erhoben.
Gegen die Angeschuldigte besteht der hinreichende Tatverdacht der Unterstützung der inländischen terroristischen Vereinigung „Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)“ (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 StGB) sowie der Beihilfe zu einer schweren räuberischen Erpressung mit Waffen (§ 253 Abs. 1, §§ 255, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB).
In der Anklageschrift ist im Wesentlichen folgender Sachverhalt dargelegt:
Der „NSU“ wurde spätestens im Herbst 1998 von Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos gegründet, nachdem die drei vor einer drohenden Festnahme in den Untergrund abgetaucht waren. Um ihre nationalsozialistisch geprägten völkisch-rassistischen Vorstellungen vom „Erhalt der deutschen Nation“ zu verwirklichen, hatte es sich die Gruppierung zum Ziel gesetzt, aus der Illegalität heraus Mord- und Sprengstoffanschläge zu begehen. In Ausführungen dieses Vorhabens ermordeten Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos im Zeitraum vom 9. September 2000 bis 6. April 2006 acht Mitbürger türkischer und einen Mitbürger griechischer Herkunft. Zudem verübten sie im Januar 2001 und Juni 2004 zwei Sprengstoffanschläge in Köln, bei denen zahlreiche Personen zum Teil schwer verletzt wurden. Ein weiterer Mordanschlag des „NSU“ galt im April
2007 zwei Polizeibeamten in Heilbronn, bei dem eine Polizeibeamtin getötet und ihr Kollege schwer verletzt wurde.
Ihren Lebensunterhalt im Untergrund finanzierten die Mitglieder des „NSU“ durch Raubüberfälle auf Geldinstitute und Einkaufsmärkte. Zwischen 18. Dezember 1998 und 4. November 2011 begingen sie 15 solcher Überfälle mit Schusswaffen, zuletzt in Eisenach. Zu dieser Tat reisten Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos in einem gemieteten Wohnmobil an. Nachdem sie im Anschluss von der Polizei umstellt worden waren, setzten sie das Fahrzeug in Brand und verübten Suizid. Beate Zschäpe legte noch am selben Tag – wie mit den anderen beiden Mitgliedern der „NSU“ vorab verabredet – in der gemeinsam bewohnten Wohnung in Zwickau einen Brand. Sie tauchte kurzzeitig unter und stellte sich am 8. November 2011 der Polizei.
Die Bundesanwaltschaft hatte am 8. November 2012 Anklage gegen Beate Zschäpe sowie vier Unterstützer und Gehilfen des „NSU“ vor dem Oberlandesgericht München erhoben, darunter André E. Mit Urteil vom 11. Juli 2018 wurde Beate Zschäpe unter anderem wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Mordes und versuchten Mordes, Raubes, räuberischer Erpressung und Brandstiftung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Gegen André E. verhängte das Gericht eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Das Urteil ist rechtskräftig.
Susann E. ist die Ehefrau von André E. Sie wusste spätestens Anfang des Jahres 2007, dass die Mitglieder des „NSU“ unter falschen Identitäten im Untergrund lebten und zu diesem Zeitpunkt bereits rassistisch motivierte Morde sowie einige Banküberfälle begangen hatten. Ab Herbst 2008 überließ sie Beate Zschäpe mehrfach ihre Krankenkassenkarte, damit diese unerkannt Arzttermine wahrnehmen konnte. Als ihr Ehemann in der ersten Jahreshälfte 2009 für Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt unter seinem und dem Namen seiner Ehefrau zwei Bahncards beschaffte, stellte Susann E. hierfür ihre Personalien zur Verfügung. Dies ermöglichte es den Mitgliedern des „NSU“, ohne die Gefahr einer Enttarnung vergünstigt mit Zügen der Deutschen Bahn zu fahren. Schließlich fuhr Susann E. die beiden Vereinigungsmitglieder Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt Ende Oktober
2011 zum Abholtermin für das oben erwähnte Wohnmobil, das der „NSU“ beim letzten Raubüberfall in Eisenach am 4. November 2011 verwendete.
Nach neueren Erkenntnissen hatte sich der Tatverdacht gegen Susann E. weiter erhärtet. Sie befindet sich auf freiem Fuß.
(c) Generalbundesanwalt, 28.02.2024