Das Bremische Beamtengesetz ermächtigt nicht zum Erlass einer Rechtsverordnung, welche die Beihilfefähigkeit der im Rahmen einer vollstationären Betreuung und Pflege anfallenden Verpflegungs-, Unterkunfts- und Investitionskosten zu Lasten der Beihilfeberechtigten ändert. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.
Die Bremische Beihilfeverordnung (BremBVO) enthielt in ihrer bis Ende Juni 2019 maßgeblichen Fassung eine Regelung über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Verpflegung und Unterkunft (einschließlich der Investitionskosten der Einrichtung) aus Anlass einer vollstationären Pflege, in der sie einen von den Beamten und Versorgungsempfängern bis zur Höhe eines bestimmten Prozentsatzes ihrer Dienst- und Versorgungsbezüge selbst zu tragenden Betrag festlegte. Für den darüber hinausgehenden Betrag bestand ein Anspruch auf Beihilfe. Mit Wirkung zum 1. Juli 2019 wurde die betreffende Vorschrift ersetzt. Nach der neuen Verordnungsregelung (in § 4j Abs. 2 Satz 1 und 2 BremBVO) sind unter anderem die genannten Pflegenebenkosten beihilfefähig, sofern nach Abzug aller maßgeblichen Kosten von den Bruttobezügen nach dem Bremischen Beamtenbesoldungs- und Versorgungsgesetz höchstens ein nach bestimmten Parametern zu berechnender Selbstbehalt verbleibt.
Gegen diese Neuregelung wandte sich der Antragsteller mit seiner Normenkontrolle. Er trat 2003 in den Ruhestand und wurde 2018 zur Betreuung und Pflege vollstationär in einer Pflegeeinrichtung aufgenommen. Er erhielt insoweit von der Antragsgegnerin unter anderem auch für die Verpflegungs-,
Unterkunfts- und Investitionskosten Beihilfeleistungen, die nach dem Inkrafttreten der vorgenannten Neuregelung um monatlich 236 € geringer ausfielen. Das Oberverwaltungsgericht hat die angegriffene Vorschrift wegen Verstoßes gegen die verfassungsrechtlich (Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz – GG) verankerte beamtenrechtliche Fürsorgepflicht für unwirksam erklärt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aus anderen Gründen bestätigt und die Revision der Antragsgegnerin zurückgewiesen. Die Vorschrift des § 4j Abs. 2 Satz 1 und 2 BremBVO verletzt bereits den Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes, der wegen des Zusammenhangs der Beihilfe mit der den Beamten und Versorgungsempfängern lebenslang geschuldeten Alimentation auch im Beihilferecht gilt. Danach muss der parlamentarische Landesgesetzgeber die tragenden Strukturprinzipien und wesentlichen Einschränkungen des Beihilfesystems selbst festlegen. Dieser hat unter dem letztgenannten Gesichtspunkt grundsätzlich selbst darüber zu entscheiden, dass und in welchem Maße ein bestehender Beihilfestandard abgesenkt werden darf. Deshalb ist eine – wie hier für die Inanspruchnahme vollstationärer Pflege – vom Verordnungsgeber zu Lasten jedenfalls eines Teils der Beamten und Versorgungsempfänger vorgenommene Änderung des Umfangs der bislang als beihilfefähig anerkannten Aufwendungen nur wirksam, wenn sie auf einer hinreichend bestimmten Verordnungsermächtigung des parlamentarischen Landesgesetzgebers beruht. Schränkt der Verordnungsgeber die Beihilfefähigkeit – wie hier – unter Festlegung eines den Betroffenen verbleibenden Betrages ein, der zur Sicherstellung des amtsangemessenen Lebensunterhalts in der jeweiligen Belastungssituation dienen soll, müssen aus einer gesetzlichen Grundlage zumindest auch die Parameter für die Berechnung dieses Betrages hinreichend klar hervorgehen. Diesen Anforderungen wird die im Bremischen Beamtengesetz enthaltene Regelung (§ 80 Bremisches Beamtengesetz in der bis zum 31. Mai 2019 maßgeblichen Fassung) nicht gerecht. Ihr ist bereits nicht zu entnehmen, dass die Verwaltung befugt ist, die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für Verpflegung und Unterkunft einschließlich der Investitionskosten bei vollstationärer Pflege zu beschränken.
BVerwG 5 CN 1.21 – Urteil vom 11. August 2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht, Pressemitteilung vom 11. August 2022