Die im Kindergartenjahr 2016/2017 geltende nordrhein-westfälische Regelung über die Höhe des pauschalierten staatlichen Zuschusses zur Finanzierung von Kindertageseinrichtungen kirchlicher Träger stellt keine Diskriminierung wegen des Glaubens oder der religiösen Anschauung dar (Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG) und führt auch im Übrigen zu keiner gleichheitswidrigen Schlechterstellung (Art. 3 Abs. 1 GG) dieser Träger. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.
Grundlage für die staatliche Förderung von Kindertageseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen ist das Kinderbildungsgesetz (KiBiz) in der Fassung vom 8. Juli 2016. Der größte Anteil der danach vom Jugendamt den Einrichtungsträgern zu gewährenden Förderung entfällt auf den Zuschuss nach § 20 Abs. 1 KiBiz 2016. Dieser Zuschuss ist an den Kindpauschalen (§ 19 KiBiz 2016) ausgerichtet, die für jedes in einer Kindertageseinrichtung aufgenommene Kind gezahlt werden. Er betrug im genannten Kindergartenjahr für kirchliche Träger 88 vom Hundert und für andere anerkannte Träger der freien Jugendhilfe 91 vom Hundert. Die Gewährung des Zuschusses setzt voraus, dass der Träger seinen sich daraus ergebenden Eigenanteil an den Kindpauschalen leistet.
Die Klägerin, eine kirchliche Trägerin im Sinne des Kinderbildungsgesetzes, erhielt für eine von ihr betriebene Kindertageseinrichtung in Anwendung dieser landesgesetzlichen Regelungen von der beklagten Stadt als Trägerin des Jugendamtes im genannten Kindergartenjahr einen staatlichen Zuschuss von insgesamt rund 572.000 €. Sie hält insbesondere die Regelung über die Höhe des Zuschusses für kirchliche Träger für unwirksam und den staatlichen Zuschuss als solchen für nicht ausreichend. Ihre auf die Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung des Förderungsantrags für das Kindergartenjahr 2016/2017 gerichtete Klage blieb in den beiden Vorinstanzen erfolglos.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine weitere staatliche Förderung. Eine unmittelbare Diskriminierung im Sinne des speziellen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG scheidet aus, weil die Normierung eines gegenüber dem Zuschuss für andere anerkannte Träger der freien Jugendhilfe nach § 20 Abs. 1 Satz 3 KiBiz 2016 um drei Prozentpunkte niedrigeren Zuschusses für kirchliche Träger nicht gerade wegen deren inhaltlicher Ausrichtung am Glauben oder an einer religiösen Anschauung erfolgt. Maßgebend für die unterschiedliche Zuschusshöhe ist vielmehr die vom Landesgesetzgeber aus dem verfassungsrechtlich verankerten Steuererhebungsrecht der als Körperschaften des öffentlichen Rechts verfassten Religionsgemeinschaften abgeleitete höhere ökonomische Leistungsfähigkeit kirchlicher Träger. Die Zuschussregelung führt aber zu einer mittelbaren Ungleichbehandlung aufgrund des Glaubens oder der religiösen Anschauung. Denn der mit ihr verbundene höhere finanzielle Eigenanteil der kirchlichen Träger betrifft mit der Evangelischen und der Katholischen Kirche, die einen Großteil der Kindertageseinrichtungen in freier Trägerschaft in Nordrhein-Westfalen betreiben, typischerweise und vor allem diese zwei religiösen Bekenntnisse. Diese Ungleichbehandlung ist bei Anlegung eines strengen Verhältnismäßigkeitsmaßstabes gerechtfertigt. Die mit § 20 Abs. 1 KiBiz 2016 bezweckte Heranziehung der Träger nach ihrer jeweiligen ökonomischen Leistungsfähigkeit ist ein legitimes und mit der Verfassungsordnung in Einklang stehendes Ziel, zumal die kirchlichen Träger nach ihrem Selbstverständnis mit dem Betreiben von Kindertageseinrichtungen zugleich auch eigene Aufgaben wahrnehmen. Die prozentuale Staffelung der Zuschüsse und damit der Eigenanteile ist grundsätzlich geeignet, der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit Rechnung zu tragen. Der Landesgesetzgeber durfte im Rahmen seines Einschätzungsspielraums insbesondere pauschalierend und typisierend annehmen, dass die kirchlichen Träger wegen der Möglichkeit zur Steuererhebung typischerweise finanziell leistungsfähiger als andere freie Träger sind. Eine Prüfung der Leistungsfähigkeit im Einzelfall wäre zwar ein milderes, aber kein gleich wirksames Mittel. Die mit dem niedrigeren Zuschuss verbundene Ungleichbehandlung erweist sich auch als angemessen. Den Kirchen ist es mit Blick auf die Wahrnehmung auch eigener Aufgaben zumutbar, wegen ihrer abstrakt höheren Leistungsfähigkeit einen höheren Eigenanteil zu erbringen. Dadurch wird weder ihr Steuererhebungsrecht noch ihr Selbstverwaltungsrecht berührt. Der mit der Staffelung der Eigenanteile verfolgte Zweck, alle Träger gemessen an ihrer Leistungsfähigkeit gleichwertig an den Kosten zu beteiligen und damit die Beteiligungsgerechtigkeit zu stärken, dient der Bereitstellung und Sicherstellung eines bedürfnis- und bedarfsgerechten Angebots an Kindertagesbetreuung und ist daher von hohem Gewicht.
Die Zuschussregelung verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1
GG) und den vom Landesgesetzgeber zu beachtenden bundesrechtlich gewährleisteten Funktionsschutz der freien Jugendhilfe. Zwar war die danach gewährte Förderung nach den Feststellungen der Vorinstanz für die Mehrzahl der Einrichtungen im streitigen Kindergartenjahr nicht kostendeckend.
Es fehlen aber belastbare Anhaltspunkte dafür, dass dadurch die Gefahr bestand, freie Träger könnten in absehbarer Zukunft und nennenswertem Umfang aus dem Anbietermarkt ausscheiden und deren Einrichtungen von den öffentlichen Trägern der Jugendhilfe übernommen werden.
BVerwG 5 C 7.22 – Urteil vom 22. Februar 2024
(c) Bundesverwaltungsgericht, 22.02.2024