
Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts eine Verfassungsbeschwerde gegen eine Regelung des Gesetzes zur Nachhaftung für Abbau- und Entsorgungskosten im Kernenergiebereich (Nachhaftungsgesetz) nicht zur Entscheidung angenommen. Die Beschwerdeführer wenden sich gegen eine Regelung, die letztlich die Nachhaftung herrschender Unternehmen regelt. Sie sehen sich durch die angegriffene Regelung in ihrem Recht auf Selbstverwaltung gemäß Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz (GG) verletzt, da im Haftungsfall ihre finanzielle Mindestausstattung nicht mehr vorhanden sei.
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Der Beschwerdeführer zu 1. ist als Zweckverband im Rahmen der Kommunalverfassungsbeschwerde nicht beschwerdefähig. Der Vortrag der Beschwerdeführer genügt im Übrigen nicht den Anforderungen an eine hinreichend substantiierte Darlegung der Verletzung des Rechts auf kommunale Selbstverwaltung.
Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer zu 1. ist als Zweckverband ein Zusammenschluss von neun Landkreisen (darunter der Beschwerdeführer zu 2.). Er wurde gegründet, um die Elektrizitätsversorgung der Einwohner sicherzustellen. Seit dem Jahr 1939 ist er nicht mehr operativ tätig, sondern nur noch mittelbar an Energieversorgungsunternehmen beteiligt. Über ein 100 %iges Tochterunternehmen hält er heute circa 46,75 % der Aktien des Energieversorgungsunternehmens E. AG, zu dem – mittelbar – fünf Kernkraftwerke gehörten. Auch das Land Baden-Württemberg hält (über Beteiligungsgesellschaften) circa 46,75 % der Aktien der E. AG.
Das Gesetz zur Neuordnung der Verantwortung in der kerntechnischen Entsorgung vom 27. Januar 2017 sah in seinem Artikel 8 das Nachhaftungsgesetz vor. Dieses begründet für Unternehmen, die die Betreibergesellschaft eines Kernkraftwerks beherrschen, eine subsidiäre und zeitlich begrenzte Nachhaftung, wenn die Betreibergesellschaft ihre Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllt.
Der Beschwerdeführer zu 1. befürchtet, bei einer weiten Auslegung der Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 1 Variante 3 Nachhaftungsgesetz als herrschendes Unternehmen zu haften. Der Beschwerdeführer zu 2. haftet aufgrund satzungsrechtlicher Bestimmungen anteilig für die Verbindlichkeiten des Beschwerdeführers zu 1.
Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung des Rechts auf Selbstverwaltung gemäß Art. 28 Abs. 2 Sätze 1, 2 und 3 Halbsatz 1 GG.
Wesentliche Erwägungen der Kammer:
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.
Der Beschwerdeführer zu 1. ist im Rahmen der Kommunalverfassungsbeschwerde nicht beschwerdefähig, weil er als Zweckverband weder Gemeinde noch Gemeindeverband ist. Gemeindeverbände sind nur solche kommunalen Zusammenschlüsse, die entweder zur Wahrnehmung von Selbstverwaltungsaufgaben gebildete Gebietskörperschaften sind oder die mit diesen Körperschaften nach dem Umfang und Gewicht ihrer Selbstverwaltungsaufgaben vergleichbar sind. Angesichts seines Einsatzes im Umfeld der Daseinsvorsorge haben die vom Beschwerdeführer zu 1. wahrgenommenen Aufgaben zwar eine gewisse Relevanz. Allerdings muss er sich bei der Bemessung der Bedeutung seines Engagements entgegenhalten lassen, dass er nicht selbst operativ in der Stromversorgung tätig, sondern nur mittelbar an einem privatrechtlichen Energieversorgungsunternehmen beteiligt ist. Er legt nicht dar und es ist auch nicht ersichtlich, dass die Stromversorgung der Einwohner gefährdet wäre, wenn er sein Engagement aufgeben würde. Außerdem ist der Aufgabenbereich des Beschwerdeführers zu 1. nicht von erheblichem Umfang. Er stellt nur einen kleinen Ausschnitt von Aufgaben des gemeindlichen und übergemeindlichen Wirkungskreises dar.
Im Übrigen wird eine Verletzung des Rechts auf kommunale Selbstverwaltung nicht hinreichend dargelegt.
§ 2 Abs. 1 Satz 1 Variante 3 Nachhaftungsgesetz regelt nicht die Rechtsverhältnisse zwischen dem Beschwerdeführer zu 2. und dem Bund oder Dritten und greift schon deshalb nicht in das von Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG garantierte Recht auf Selbstverwaltung ein.
Erst aufgrund der satzungsmäßigen Haftungsvorschriften des Beschwerdeführers zu 1. würde letztlich der Beschwerdeführer zu 2. haften und – so sein Vortrag – in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet. Diese verbandsinternen Regelungen werden vom angegriffenen Nachhaftungsgesetz aber nicht berührt.
Der Beschwerdeführer zu 2. hat nicht vorgetragen, dass die angegriffene Regelung nach ihrer Bedeutung und Zielrichtung auch auf Berechtigte der Selbstverwaltungsgarantie wie ihn gerichtet ist. Dies ist auch nicht ersichtlich. Die Einstandspflicht des Beschwerdeführers zu 2. ist gerade nicht Zielrichtung der angegriffenen Regelung, sondern vielmehr Folge seiner nur mittelbaren Beteiligung an einem Energieversorgungsunternehmen.
Der Beschwerdeführer zu 2. legt nicht hinreichend substantiiert dar, welchen Gesamtumfang seine Finanzausstattung hat und inwieweit diese durch die angegriffene Regelung gemindert wird, sodass er die ihm obliegenden Aufgaben nicht mehr angemessen oder im erforderlichen Mindestmaß erfüllen kann. Er behauptet zwar, dass eine finanzielle Mindestausstattung bei Eintritt des Nachhaftungsfalls „offensichtlich“ nicht mehr vorhanden wäre und er die ihm obliegenden Selbstverwaltungsaufgaben nicht mehr angemessen erfüllen könnte. Allerdings legt er über diese Pauschalangabe hinaus weder die Höhe der von ihm befürchteten finanziellen Belastung noch seine Haushaltssituation nachvollziehbar dar.
Beschluss vom 17. Februar 2025 – 2 BvR 490/18
Bundesverfassungsgericht, 01.04.2025