Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts die Verfassungsbeschwerde eines afghanischen Staatsangehörigen nicht zur Entscheidung angenommen. Der Beschwerdeführer wurde in Griechenland als international Schutzberechtigter anerkannt. Er reiste in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte einen Asylantrag, welchen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als unzulässig ablehnte. Der Beschwerdeführer erhob dagegen Klage zum Verwaltungsgericht und stellte einen Eilantrag. Diesen lehnte das Gericht durch Beschluss ab, da den Beschwerdeführer in Griechenland nach den vorliegenden Erkenntnismitteln keine unmenschliche Behandlung erwarte.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Verfassungsbeschwerde. Er rügt u.a. eine Verletzung seines Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG). Er trägt u.a. vor, eine Eilentscheidung zu seinen Lasten hätte nicht ergehen dürfen, solange das in einer anderen Sache anhängige Verfahren nach § 78 Abs. 8 Asylgesetz (AsylG) beim Bundesverwaltungsgericht nicht abgeschlossen sei.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung angenommen worden, da sie unzulässig ist.
Der Beschwerdeführer legt nicht in genügender Weise dar, dass die angegriffene Entscheidung ihn in seinem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz verletzt. Er trägt nicht vor, aus welchen Gründen ihm wegen der aktuellen Lebensbedingungen in Griechenland eine Verletzung in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG drohe.
Hiervon abgesehen ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht im Eilverfahren entschieden hat, ohne die Entscheidung über die zur allgemeinen abschiebungsrelevanten Lage für international Schutzberechtigte in Griechenland beim Bundesverwaltungsgericht anhängige „Tatsachenrevision“ abzuwarten. Eine Ausweitung des Suspensiveffekts über das als Revision anhängige Verfahren hinaus ist § 78 Abs. 8 AsylG nicht zu entnehmen und auch mit der beschränkten Präjudizwirkung revisionsrechtlicher Entscheidungen unvereinbar. Eine „Sperrwirkung“ des Verfahrens ist verfassungsrechtlich nicht geboten. Dass die Erfolgschancen eines Antragstellers von der Wertung der Tatsachen durch das jeweils zuständige Gericht abhängen, ist Folge der in Art. 97 Abs. 1 GG garantierten richterlichen Unabhängigkeit und dem Charakter des Asylgrundrechts als Individualgrundrecht immanent. Überdies entbindet die mit der Einführung des § 78 Abs. 8 AsylG verbundene Intention, im Wege der „Tatsachenrevision“ Einheitlichkeit in der gerichtlichen Beurteilung der tatsächlichen Lage in einem Zielstaat herzustellen, nicht von der verfassungsrechtlichen Pflicht zur tagesaktuellen Erfassung der entscheidungserheblichen Sachlage durch die Gerichte.
Auch an einer Befassung mit gleichgelagerten Fällen im Eilverfahren sind die Fachgerichte vor der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über eine „Tatsachenrevision“ nicht gehindert. Der Gefahr, dass ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist durch eine Intensivierung der Prüfungspflicht im Eilverfahren bis hin zu einer Vollprüfung zu begegnen. Für das Verfahren nach § 78 Abs. 8 AsylG gilt dies umso mehr, da es besonders volatile Tatsachenfragen zum Gegenstand hat.
Bundesverfassungsgericht, 20.12.2024