Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass § 4 Abs. 1 Nr. 5 des Sächsischen Kirchensteuergesetzes (SächsKiStG) in der bis zum 31. August 2015 geltenden Fassung (a.F.) mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) unvereinbar ist, weil darin Ehegatten nicht mit Lebenspartnern gleichgestellt werden. Die Vorschrift bleibt für Veranlagungszeiträume bis zum 31. Dezember 2013 weiter anwendbar.

§ 4 Abs. 1 Nr. 5 SächsKiStG a.F. sieht vor, dass die Kirchensteuer in Form eines besonderen Kirchgelds von Kirchensteuerpflichtigen erhoben werden kann, deren Ehegatten keiner steuererhebenden Kirche angehören (besonderes Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe). Eine Erstreckung der Regelung auf eingetragene Lebenspartnerschaften erfolgte erst für die Veranlagungszeiträume ab dem Jahr 2016.

§ 4 Abs. 1 Nr. 5 SächsKiStG a.F. verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG, soweit darin Ehegatten nicht mit Lebenspartnern gleichgestellt werden. Die unterschiedliche Behandlung von Ehen und Lebenspartnerschaften bei der Heranziehung zum besonderen Kirchgeld stellt eine mittelbare Ungleichbehandlung wegen der sexuellen Orientierung dar, die verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt ist. Die Institute der Ehe und der eingetragenen Lebenspartnerschaft sind in vergleichbarer Weise rechtlich verbindlich verfasste Lebensformen. Der dem besonderen Kirchgeld zugrundeliegende Gedanke, dass sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des einer Kirche angehörenden Ehegatten durch ein hohes Einkommen seines keiner Kirche angehörenden Ehegatten erhöht, trifft auch auf eingetragene Lebenspartnerschaften zu. Wie bei Ehegatten steht seit 2013 auch bei eingetragenen Lebenspartnerschaften das gemeinsam zu versteuernde Einkommen als Hilfsmaßstab für die Bemessung des besonderen Kirchgelds zur Verfügung. Für eine Schlechterstellung der Ehe sind keine hinreichend gewichtigen Sachgründe ersichtlich.

Sachverhalt:

§ 4 Abs. 1 Nr. 5 SächsKiStG a.F. sieht vor, dass die Kirchensteuer in Form eines besonderen Kirchgelds von Kirchensteuerpflichtigen erhoben werden kann, deren Ehegatten keiner steuererhebenden Kirche angehören (besonderes Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe). Das besondere Kirchgeld zieht als Bemessungsgrundlage das zu versteuernde Einkommen beider Ehegatten heran. Vorschriften, die diese Regelung auf eingetragene Lebenspartnerschaften erstrecken, enthielt das Sächsische Kirchensteuergesetz in der bis zum 31. August 2015 geltenden Fassung nicht.

Mit Wirkung zum 1. August 2001 führte der Bundesgesetzgeber das Institut der Lebenspartnerschaft ein, dessen Regelungen in weiten Teilen denjenigen der Ehe nachgebildet waren oder auf diese verwiesen. Mit Beschluss vom 7. Mai 2013 erklärte der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts die einkommensteuerlichen Vorschriften zum Ehegattensplitting mit Art. 3 Abs. 1 GG für unvereinbar, soweit sie eingetragenen Lebenspartnern anders als Ehegatten nicht die Möglichkeit der Zusammenveranlagung und die damit verbundene Anwendung des Splittingverfahrens eröffneten (BVerfGE 133, 377). In Reaktion auf diese Entscheidung wurden noch im Jahr 2013 auf Bundesebene die Regelungen des Einkommensteuergesetzes zu Ehegatten und Ehen auch auf Lebenspartner und Lebenspartnerschaften erstreckt. Dies betraf insbesondere die Möglichkeit der Zusammenveranlagung und die damit verbundene Anwendung des Splittingverfahrens. Sämtliche Länder mit Ausnahme des Landes Sachsen-Anhalt und des Freistaates Sachsen änderten infolge der nunmehr geltenden Rechtslage noch im Jahr 2014 ihre jeweiligen Kirchensteuergesetze mit Wirkung schon für den damals laufenden Veranlagungszeitraum 2014. Danach konnten auch eingetragene Lebenspartner zum besonderen Kirchgeld herangezogen werden. Die vom Freistaat Sachsen geplante Änderung des Sächsischen Kirchensteuergesetzes kam vor den Landtagswahlen am 31. August 2014 nicht zum Abschluss. Zum 1. September 2015 und mit Wirkung ab dem anschließend beginnenden Verlangungszeitraum wurde das Gesetz schließlich entsprechend geändert.

Die Klägerin des Ausgangsverfahrens war in den Jahren 2014 und 2015 anders als ihr Ehemann Mitglied einer kirchensteuererhebenden Landeskirche. Das Finanzamt setzte die Kirchensteuer in Form des besonderen Kirchgelds ausgehend von dem zu versteuernden Einkommen beider Eheleute fest. Auf ihre hiergegen gerichtete Klage hat das Finanzgericht das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 4 Abs. 1 Nr. 5 SächsKiStG a.F. mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, soweit darin Ehegatten und Ehen nicht mit Lebenspartnern und Lebenspartnerschaften gleichgestellt werden.

Wesentliche Erwägungen des Senats:

I. Die in § 4 Abs. 1 Nr. 5 SächsKiStG a.F. vorgesehene steuerliche Belastung von zusammenveranlagten Ehegatten in glaubensverschiedener Ehe in Form des besonderen Kirchgelds ist mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, weil darin Ehegatten nicht mit Lebenspartnern gleichgestellt werden.

1. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen. Verboten ist daher auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen, vergleichbaren Personenkreis aber vorenthalten wird.

2. Der Umstand, dass Ehegatten zum besonderen Kirchgeld herangezogen werden konnten, während dies bei Lebenspartnern nicht der Fall war, stellt eine rechtfertigungsbedürftige, mittelbare Ungleichbehandlung wegen der sexuellen Orientierung dar. Die Entscheidung einer Person für eine Ehe oder eine eingetragene Lebenspartnerschaft ist kaum trennbar mit ihrer sexuellen Orientierung verbunden.

3. Diese Ungleichbehandlung von Ehepaaren und eingetragenen Lebenspartnerschaften ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Die Institute der Ehe und der eingetragenen Lebenspartnerschaft sind in vergleichbarer Weise rechtlich verbindlich verfasste Lebensformen. Sie weisen in ihren Grundstrukturen bereits seit Einführung der Lebenspartnerschaft im Jahr 2001 nur wenige Unterschiede auf. Der dem besonderen Kirchgeld zugrundeliegende Gedanke, dass sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des einer Kirche angehörenden Ehegatten durch ein hohes Einkommen seines keiner Kirche angehörenden Ehegatten erhöht, trifft auch auf eingetragene Lebenspartnerschaften zu. Da inzwischen auch Lebenspartner bei der Veranlagung zur Einkommensteuer die Zusammenveranlagung wählen können, steht nunmehr wie bei Ehegatten das gemeinsam zu versteuernde Einkommen als Hilfsmaßstab für die Bemessung des Lebensführungsaufwands zur Verfügung. Für eine Schlechterstellung der Ehe sind sonach keine hinreichend gewichtigen Sachgründe ersichtlich.

Die Ungleichbehandlung kann insbesondere nicht in Hinblick auf eine etwaige Typisierungsbefugnis des Landesgesetzgebers gerechtfertigt werden. Typisierung bedeutet, bestimmte in wesentlichen Elementen gleich geartete Lebenssachverhalte normativ zusammenzufassen. Sähe man in den von § 4 Abs. 1 Nr. 5 SächsKiStG a.F. erfassten Sachverhalten eine Typisierung, so müssten die dort allein aufgeführten Ehen als gesetzliches Leitbild einer institutionalisierten Verantwortungsgemeinschaft verstanden werden, an deren Bestehen die Besteuerung anknüpft. Dies ist indes nicht der Fall. Auch kann eine so verstandene Typisierung deshalb nicht verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden, weil sie mittelbar an die sexuelle Orientierung anknüpft.

II. Die Regelung bleibt für Veranlagungszeiträume bis zum 31. Dezember 2013 weiter anwendbar. Erst mit der Einführung der Möglichkeit der Zusammenveranlagung auch für eingetragene Lebenspartnerschaften durch den Bundesgesetzgeber war ersichtlich, dass die bislang nur bei zusammenveranlagten Ehegatten vorgesehene Erhebung des besonderen Kirchgelds gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, und war es dem Landesgesetzgeber möglich, die gesetzliche Grundlage für die Einbeziehung der Lebenspartner in die Erhebung des besonderen Kirchgelds zu schaffen. Hierbei ist ihm eine Frist zur Anpassung der Rechtslage bis zum 31. Dezember 2013 einzuräumen. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, bis zum 30. Juni 2025 den festgestellten Verfassungsverstoß für die Veranlagungszeiträume 2014 und 2015 rückwirkend zu beseitigen.

Beschluss vom 15. Oktober 2024
2 BvL 6/19

(c) Bundesverfassungsgericht, 13.11.2024

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