Der 8. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über seine Sitzung vom 17. Mai 2023 in Angelegenheiten der Sozialhilfe.
1) 9.30 Uhr
B 8 SO 6/22 R
T GmbH ./. Kreis Bergstraße
Verfahrensgang:
Sozialgericht Darmstadt, S 17 SO 36/21 SDE, 28.04.2021 Hessisches Landessozialgericht, L 4 SO 119/21, 16.03.2022
Der Senat hat auf die Revision der Klägerin die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und den Beklagten zur Zahlung höherer Zuschüsse nach dem Sozialdienstleister-Einsatzgesetz verurteilt. Wegen der Höhe der Zuschüsse nach dem Sozialdienstleister-Einsatzgesetz liegt die Entscheidung nicht im Ermessen der Behörde, sondern erfolgt im Grundsatz auf Grundlage einer zukunftsbezogenen Prognose. Erfolgt aber – wie vorliegend – die Entscheidung über die Gewährung der Zuschüsse nachträglich für einen bereits abgeschlossenen Zeitraum, ist für eine Prognose kein Raum. Die Höhe des Zuschusses errechnet sich vielmehr abschließend unter Berücksichtigung der für die Leistung relevanten Positionen. Dabei hat der Beklagte zu Recht die von der Klägerin tatsächlich bereits erhaltenen vorrangigen Mittel für erbrachte Leistungen bei der Bewilligung berücksichtigt. Die anderweitig zugeflossenen Mittel sind jedoch vom Monatsdurchschnitt abzusetzen, nicht dagegen vom Höchstbetrag des Zuschusses. Insoweit bietet das Sozialdienstleister-Einsatzgesetz eine Teilabsicherung, die je nach der tatsächlichen Lage der Dienstleister durch vorrangige Zuflüsse ergänzt wird.
2) B8SO5/22R
J. K. ./. Landkreis Heilbronn
beigeladen: Stiftung L
Verfahrensgang:
Sozialgericht Heilbronn, S 9 SO 636/20, 26.11.2020 Landessozialgericht Baden-Württemberg, L 7 SO 4143/20, 17.03.2022
Der Termin ist vor dem Terminstag aufgehoben worden, weil die Revision zurückgenommen worden ist.
3) 12.00 Uhr
B 8 SO 12/22 R
K. Diakonie eV, Caritasverband D eV ./. Stadt Düsseldorf
Verfahrensgang:
Sozialgericht Düsseldorf, S 42 SO 74/16, 20.03.2019 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, L 12 SO 227/19, 23.03.2022
Der Senat hat die Revision zurückgewiesen. Für die von den Klägern aufgeworfene Frage, ob aus den Regelungen der §§ 75 ff SGB XII ein öffentlich-rechtlicher Anspruch der Kläger auf Unterlassung eines Vergabeverfahrens mit dem Ziel der Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe in einem Pool-System folgt, ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet.
Die Kläger hatten ursprünglich einen Anspruch auf Unterlassung der Vergabe nach den §§ 97 ff des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen gegen die Beklagte, was nach der zulässigen Umstellung der Klage entsprechend festzustellen war. Der aus Europarecht abzuleitende und in den §§ 97 ff des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen umgesetzte Grundsatz, dass öffentliche Aufträge und Konzessionen im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren zu vergeben sind, findet nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs keine Anwendung auf einfache Zulassungssysteme, in denen – wie hier nach den §§ 75 ff SGB XII beziehungsweise seit dem 1.1.2018 den §§ 123 ff SGB IX – keine Auswahlentscheidung des öffentlichen Auftraggebers erfolgt. Besteht kein vergaberechtlicher Zwang, die Leistungen auszuschreiben, war die Beklagte aber zur Vergabe von Leistungen auch nicht berechtigt. Die Vergabe mit dem Ziel, die Leistungen der Schulbegleitung auf die über den Zuschlag bestimmten Vertragspartner zu übertragen, widerspricht dem im SGB XII und im SGB IX vorgesehenen Versorgungssystem. Den Träger der Leistung trifft die Pflicht, den Leistungsanspruch der Berechtigten durch Abschluss vertraglicher Vereinbarungen nach §§ 75 ff SGB XII beziehungsweise §§ 123 ff SGB IX sicherzustellen und zwar im Sinne einer dem Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten entsprechenden Pluralität der Leistungserbringer. Einer vergaberechtlichen Kontrolle bedarf das eingliederungshilferechtliche Vertragsrecht nicht. Es ermöglicht einen transparenten und gleichberechtigten Wettbewerb. Dieses Konzept der Leistungserbringung durch Abschluss von Verträgen nach § 75 ff SGB XII schützt auch die daran teilnehmenden Dienste; denn nur so kann die Pluralität der Leistungserbringung überhaupt gewährleistet werden.