Der Bundesgerichtshof hat die Revision eines 30-jährigen Angeklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main weitgehend verworfen, mit dem der irakische Staatsangehörige wegen Völkermordes in Tateinheit mit Verbrechen gegen die Menschlichkeit, mit Kriegsverbrechen gegen Personen und mit Körperverletzung mit Todesfolge zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden war.
1. Nach den vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen betätigte sich der Angeklagte mindestens seit dem März 2015 im syrischen Rakka für die ausländische terroristische Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS) und hieß deren Vorgehen gegen die religiöse Gruppe der Jesiden gut. Im Juni 2015 kaufte er eine jesidische Frau sowie deren kleine Tochter und hielt sie als Sklavinnen. Im Rahmen des militärischen Angriffs des IS auf die in der irakischen Sindschar-Region lebenden Jesiden im Sommer 2014 waren sie gefangengenommen und verschleppt worden. Etwa zwei Wochen nach dem Kauf verbrachte der Angeklagte sie aus Syrien in den Irak nach Falludscha. Dort zwang er sie über mehrere Wochen zum Aufenthalt, die Frau darüber hinaus zur Tätigkeit in seinem Haushalt. Er bestimmte vollständig über das Leben der beiden, untersagte ihnen, das Anwesen zu verlassen, teilte ihnen zu wenig Nahrung zu, zwang sie zu regelmäßigen islamischen Gebetsriten und misshandelte sie täglich, um sie gefügig zu halten. Er verursachte bei ihnen gravierende körperliche und seelische Beeinträchtigungen. Hiermit beabsichtigte er, im Sinne der IS-Ideologie zielgerichtet einen Beitrag dazu zu leisten, zur Errichtung eines islamischen Kalifats die jesidische Religion, das Jesidentum als solches und dessen – aus seiner Sicht wertlose – Angehörige zu vernichten.
An einem Tag im August oder September 2015 fesselte er das fünfjährige Mädchen zur Mittagszeit mit den Händen in Kopfhöhe an das im Hof seines Anwesens befindliche Außengitter des Wohnzimmerfensters. Er wollte es bestrafen und disziplinieren, weil es krankheitsbedingt auf eine Matratze uriniert hatte. Das somit bewegungsunfähige Kind war bei starker Hitze direkter Sonneneinstrahlung ausgesetzt. Nach dessen Fixierung kehrte der Angeklagte ins Haus zurück. Als er sich nach einiger Zeit wieder in den Hof begab, hatte die Fünfjährige zwischenzeitlich einen Hitzschlag erlitten. Wie er hätte vorhersehen können, war sie daran entweder bereits verstorben oder verstarb in der unmittelbaren Folgezeit.
2. Die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat lediglich insoweit Erfolg gehabt, als der für Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) zuständige 3. Strafsenat auf die Sachbeschwerde hin den Schuldspruch geändert hat. Im Übrigen hat er das Rechtsmittel als unbegründet verworfen.
Der 3. Strafsenat hat die Urteilsformel dahin geändert, dass der Angeklagte auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen des Völkermordes in Tateinheit mit den Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Versklavung, Folter, Zufügung schwerer körperlicher oder seelischer Schäden und Freiheitsentziehung jeweils mit Todesfolge sowie mit dem Kriegsverbrechen gegen Personen durch Folter mit Todesfolge schuldig ist. Die Gründe der Entscheidung befassen sich insoweit im Wesentlichen mit dem Verbrechen des Völkermordes gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 VStGB. Hiernach tragen die Urteilsfeststellungen die Wertung, dass der Angeklagte in der Absicht, die religiöse Gruppe der Jesiden zu zerstören, vorsätzlich dem fünfjährigen Mädchen schwere körperliche Schäden und dessen Mutter schwere seelische Schäden zufügte. Soweit das Oberlandesgericht ihn darüber hinaus wegen ebenfalls tateinheitlicher Beihilfe zu dem Kriegsverbrechen gegen Personen durch Vertreibung und Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt hatte, hat dies hingegen der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht standgehalten. Die lebenslange Freiheitsstrafe ist von der Schuldspruchänderung unberührt geblieben.
Mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist das Strafverfahren nunmehr rechtskräftig abgeschlossen.
Vorinstanz:
OLG Frankfurt am Main – 5 – 3 StE 1/20 – 4 – 1/20 – Beschluss vom 30. November 2021
Beschluss vom 30. November 2022 – 3 StR 230/22
Quelle: Bundesgerichtshof, Pressemitteilung vom 17. Januar 2023