Der für Staatsschutzsachen zuständige 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Beschluss vom 6. März 2024 die Revisionen von zwei Angeklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 23. August 2023 verworfen, das beide wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland und den älteren von ihnen außerdem wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat in zwei Fällen verurteilt hat. Beide Angeklagte waren nach gemeinsamen Ermittlungen von deutschen und schweizerischen Behörden 2022 überführt und festgenommen worden.
Nach den vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen hängt der 63-jährige, aus Pakistan stammende ältere Angeklagte seit der Jugend einem salafistischen Islamverständnis an. Er kam im Alter von 25 Jahren nach Deutschland, heiratete eine Deutsche und ist seit 1992 eingebürgert. Als Vorbeter in zwei Karlsruher Moscheen pries er den Jihad und bejubelte die Anschläge vom 11. September 2001. 2003 trat er der Terrororganisation Al Qaida bei, beschaffte für sie in Deutschland Spenden und militärische Güter und nahm 2007 an einem Trainingscamp im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet teil. Hierfür verurteilte ihn das Oberlandesgericht Koblenz im Juli 2009 zu acht Jahren Freiheitsstrafe.
Nach seiner Haftentlassung blieb der Angeklagte dem islamistisch-jihadistischen Gedankengut treu und wendete sich dem „Islamischen Staat“ (IS) zu. Zu zwei Gelegenheiten reiste er aus dem Bundesgebiet aus, um sich dem IS in seinen Herrschaftsgebieten anzuschließen und an terroristischen Kampfhandlungen teilzunehmen, was ihm allerdings jeweils nicht gelang. Zum einen versuchte er im September 2020 erfolglos, vom türkischen Gaziantep aus zum IS nach Syrien zu kommen. Zum anderen flog er im Sommer 2021 nach Pakistan, um Teil der dort im Untergrund operierenden IS-Einheiten zu werden, was ebenfalls scheiterte. Der Bundesgerichtshof hat in Fortsetzung seiner ständigen Rechtsprechung die Würdigung des Oberlandesgerichts bestätigt, dass solche Ausreisen schwere staatsgefährdende Gewalttaten gemäß § 89a Abs. 1 und Abs. 2a StGB vorbereiten.
Nach seiner Rückkehr gliederte sich der Angeklagte von Deutschland aus über das Internet und Telefonkontakte zu syrischen Verantwortlichen in den IS ein. Die Vereinigung versah ihn verbindlich mit einer Position innerhalb ihrer offiziellen Medienarbeit. Im Auftrag und im Einvernehmen mit höherrangigen IS-Mitgliedern übersetzte der Angeklagte unter anderem in großem Umfang Meldungen der IS- Nachrichtenagentur AMAQ sowie Propaganda-Texte des IS aus dem Arabischen ins Deutsche. Ein „Emir“ der Vereinigung veröffentlichte die Übersetzungen des Angeklagten von Syrien aus auf einer offiziellen IS-Webseite, um auf diese Weise hiesige Interessenten zu erreichen. In Absprache mit dem „Emir“ gründete der Angeklagte außerdem gemeinsam mit anderen im März 2022 eine eigene IS-Medienstelle, für die er ein Logo entwarf. Das Oberlandesgericht hat diesen Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.
Die rechtliche Würdigung, der Angeklagte habe sich als Mitglied und nicht nur Unterstützer einer ausländischen terroristischen Vereinigung betätigt, obwohl er sich niemals im Herrschaftsgebiet des IS aufhielt, hat der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs als zutreffend erachtet. Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, ist sowohl eine Eingliederung in eine kriminelle oder terroristische Vereinigung über Telefon und soziale Netzwerke möglich als auch eine Tätigkeit als Mitglied im IS von Deutschland aus.
Der 27-jährige, aus Syrien stammende weitere Angeklagte war ebenfalls vorbestraft. Er war 2015 als Flüchtling nach Deutschland gekommen, hatte sich radikalisiert und über das Internet IS-Propaganda verbreitet, weshalb ihn das Oberlandesgericht Koblenz im Dezember 2018 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten wegen Werbens um Mitglieder und Unterstützer für eine terroristische Vereinigung im Ausland verurteilt hatte.
Nach den vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen gab sich dieser Angeklagte nach seiner Haftentlassung gegenüber seinem Bewährungshelfer und Mitarbeitern eines Gewaltpräventionsprogramms angepasst und gemäßigt. Tatsächlich hing auch er weiterhin jihadistischen Überzeugungen und dem IS an. Er gliederte sich – ebenfalls von Deutschland aus – in den IS ein, koordinierte die Medienarbeit der Vereinigung im deutschsprachigen Raum und war dem älteren Angeklagten hierarchisch überstellt. Gegenüber Mitgliedern aus Syrien verwendete er sich in sozialen Netzwerken und Telefonaten für diesen, ermöglichte ihm so den Eintritt in die Organisation und half ihm sowie weiteren IS-Getreuen bei ihren Aufgaben und Übersetzungen. Außerdem vermittelte er verschiedenen Interessenten aus Deutschland und der Schweiz Leumundszeugnisse, die zum Übertritt zum IS in Syrien berechtigten, und schlichtete in offizieller Funktion Streit innerhalb der Organisation. Ihn hat das Oberlandesgericht zu vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
Die revisionsrechtliche Überprüfung des Urteils durch den 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auch für diesen Angeklagten keinen ihm nachteiligen Rechtsfehler ergeben.
Mit der Entscheidung des Senats ist das Urteil des Oberlandesgerichts rechtskräftig.
Beschluss vom 6. März 2024 – 3 StR 488/23
(c) BGH, 27.03.2024