Bei dem in Leipzig ansässigen 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs ist die Revision einer 98 Jahre alten ehemaligen Zivilangestellten der SS eingegangen, die sich gegen ihre Verurteilung durch das Landgericht Itzehoe wegen Beihilfe zum Mord in 10.505 Fällen und versuchtem Mord in fünf Fällen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe von zwei Jahren wendet.

Nach den Urteilsfeststellungen war die im Tatzeitraum 18 und 19 Jahre alte Beschwerdeführerin vom 1. Juni 1943 bis zum 1. April 1945 als Stenotypistin in der Kommandantur des von der SS betriebenen Konzentrationslagers Stutthof beschäftigt. Das Landgericht ist zu der Überzeugung gelangt, dass die Angeklagte durch die Erledigung von Schreibarbeit in der Kommandantur die Haupttäter willentlich dabei unterstützt habe, Gefangene durch Vergasungen, durch die Schaffung lebensfeindlicher Bedingungen im Lager, durch Transporte in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau und durch Verschickung auf sogenannte Todesmärsche grausam zu töten oder dies versucht zu haben. Ihre Arbeit sei für die Organisation des Lagers und die Durchführung der grausamen, systematischen Tötungshandlungen notwendig gewesen.

Das Landgericht hat Jugendstrafrecht angewendet, weil die Angeklagte zur Tatzeit noch Heranwachsende im Sinne von § 1 Abs. 2 JGG gewesen sei und bei ihr damals Reifeverzögerungen im Sinne von § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG vorgelegen hätten. Die Regelung des § 105 JGG stelle das gegenüber den früher geltenden Jugendgerichtsgesetzen, die eine Anwendung von Jugendstrafrecht auf Heranwachsende nicht vorsahen, mildere Recht im Sinne von § 2 Abs. 3 StGB dar.

Gegen das Urteil hat die Angeklagte Revision eingelegt, die mit der ausgeführten Sachrüge begründet ist. Der Generalbundesanwalt hat beantragt, einen Termin zur Revisionshauptverhandlung zu bestimmen, weil die Revision der Angeklagten grundsätzliche Fragen zur Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Mord durch die Dienstverrichtung in einem Konzentrationslager, das nicht zugleich ein reines „Vernichtungslager“ gewesen sei, aufwerfe, über die der Bundesgerichtshof für diese Konstellation noch nicht entschieden habe.

Der Bundesgerichtshof wird nach Terminierung der Sache über den weiteren Fortgang des Verfahrens informieren.

Vorinstanz:

LG Itzehoe – Urteil vom 20. Dezember 2022 – 3 KLs 315 Js 15865/16 jug.

(c) BGH, 01.02.2024

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