Der unter anderem für Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wird sich am 5. Juni 2024 mit der Frage zu befassen haben, auf welchen Zeitpunkt bei der Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussichten des Versicherungsnehmers beim Deckungsanspruch in der Rechtsschutzversicherung (hier: § 3a (1) (a) ARB 2016) abzustellen ist, ob insbesondere eine Klärung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung (hier: durch den Gerichtshof der Europäischen Union) zu seinen Gunsten nach der Entscheidung des Versicherers („Bewilligungsreife“) noch zu berücksichtigen ist, und gegebenenfalls bis zu welchem Zeitpunkt. Diese Frage beschäftigt im Rahmen der rechtlichen Aufarbeitung des sogenannten Dieselabgas-Skandals die Zivilgerichte seit dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 21. März 2023 (EuGH, Urteil vom 21. März 2023, QB/Mercedes-Benz Group AG, vormals Daimler AG, C-100/21, ECLI:EU:C:2023:229 = NJW 2023, 1111 ff.).
Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf:
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Feststellung der Verpflichtung zur Gewährung von Deckungsschutz für die Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen gegen eine Herstellerin wegen behaupteter Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung bei einem von ihm erworbenen Fahrzeug in Anspruch. Er unterhält bei der Beklagten eine Rechtsschutzversicherung, die Schadensersatzansprüche umfasst. Die dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden Allgemeinen Rechtsschutz-Versicherungsbedingungen (ARB 2016) lauten auszugsweise:
„§ 3a Ablehnung des Rechtsschutzes wegen mangelnder Erfolgsaussichten oder wegen Mutwilligkeit – Stichentscheid
Die A. kann den Rechtsschutz ablehnen, wenn ihrer Auffassung nach
a)in einem der Fälle des § 2 a) bis g), n), q) aa) und cc) sowie r) aa) die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder
…
In diesen Fällen ist dem Versicherungsnehmer, nachdem dieser die Pflichten gemäß § 17 Abs. 1 b) erfüllt hat, die Ablehnung unverzüglich unter Angabe der Gründe schriftlich mitzuteilen.
…“.
Der Kläger erwarb im August 2020 ein gebrauchtes Wohnmobil zu einem Kaufpreis von 39.790 €. Er beabsichtigt mit einer Klage gegen die Herstellerin, Schadensersatzansprüche (§§ 823 Abs. 2, 826 BGB) gerichtet auf Rückabwicklung des Kaufvertrages geltend zu machen. Er wirft ihr vor, die Verantwortlichen hätten das von ihm erworbene Fahrzeug mit unzulässigen Abschalteinrichtungen im Sinne des Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007, insbesondere einem Thermofenster, ausgestattet und ihn dadurch vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt. Die Beklagte hat die erbetene Kostenzusage mit Schreiben vom 16. Februar 2021 abgelehnt, weil weder ein Rechtsverstoß vorliege noch Erfolgsaussichten in der Sache bestünden.
Das Landgericht hat die Deckungsschutzklage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht – im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 15. Mai 2023 – unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das erstinstanzliche Urteil abgeändert und unter anderem festgestellt, dass die Beklagte aus dem Versicherungsvertrag verpflichtet ist, die Kosten der erstinstanzlichen Geltendmachung von deliktischen Schadensersatzansprüchen des Klägers gegen die Herstellerin aufgrund des Kaufs des Fahrzeugs und der von dem Kläger behaupteten Manipulation der Abgassteuerung dieses Fahrzeugs aus einem Streitwert von bis zu 38.848,89 € zu tragen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie ihr Begehren auf vollständige Klageabweisung weiterverfolgt.
Vorinstanzen:
Landgericht Dortmund – Urteil vom 4. Januar 2023 – 7 O 20/22
Oberlandesgericht Hamm – Urteil vom 12. Juni 2023 – 6 U 22/23
(c) BGH, 13.05.2024