Der insbesondere für das Patentrecht zuständige X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich in seinem heute verkündeten Urteil mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen ein Patent, das nicht mehr in Kraft steht, mit der Nichtigkeitsklage angegriffen werden kann.
Sachverhalt:
Der Beklagte war Inhaber eines deutschen Patents, das ein Verfahren zur embryonenerhaltenden Gewinnung pluripotenter Stammzellen betrifft. Der klagende Verein macht geltend, das Patent hätte nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 PatG nicht erteilt werden dürfen, soweit es auch menschliche Blastocysten (ein bestimmtes Entwicklungsstadium der Embryogenese, in dem bei Menschen und Säugetieren die Einnistung in die Gebärmutter erfolgt) erfasse.
Bisheriger Prozessverlauf:
Während des Verfahrens des ersten Rechtszugs vor dem Bundespatentgericht ist das Streitpatent dadurch erloschen, dass der Beklagte die für die Aufrechterhaltung jährlich zu zahlende Gebühr nicht entrichtet hat (§ 20 PatG). Das Patentgericht hat die Klage daraufhin als unzulässig abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Die Berufung blieb erfolglos. Entscheidend dafür war, dass das angegriffene Patent nicht mehr in Kraft steht.
Die Klage auf Nichtigerklärung eines Patents ist als Popularklage ausgestaltet. Ein Patent kann also grundsätzlich von jedermann angegriffen werden. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass es im allgemeinen Interesse liegt, dass zu Unrecht erteilte Schutzrechte beseitigt werden. Ist das Patent jedoch – wie hier – erloschen, entfällt dieses Allgemeininteresse. Ab diesem Zeitpunkt ist eine Nichtigkeitsklage nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur noch zulässig, wenn der Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis hat. Die Rechtsprechung bejaht ein solches Rechtsschutzbedürfnis insbesondere dann, wenn der Kläger damit rechnen muss, dass er wegen Verletzungshandlungen in der Vergangenheit aus dem damals noch bestehenden Patent in Anspruch genommen wird.
Ein solches Rechtsschutzbedürfnis hat der Kläger nicht. Das allgemeine Interesse an der Sicherung gesetzeskonformer Erteilungspraxis des Patentamts genügt insoweit nicht. Auch unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben ergibt sich nichts anderes. Die Verfassung gewährleistet, dass demjenigen, der geltend machen kann, durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt zu sein, der Rechtsweg offensteht (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG). Dagegen ist es verfassungsrechtlich nicht geboten, jedermann das Recht einzuräumen, im Interesse der Allgemeinheit gegen (vermeintlich) rechtswidrige staatliche Maßnahmen vorzugehen. Darüber hinaus liegt eine Beeinträchtigung der Rechte des Klägers durch die Erteilung des inzwischen erloschenen Patents nicht vor, weil davon keine ihn betreffenden Rechtswirkungen (mehr) ausgehen. Jedenfalls insofern unterscheidet sich der Streitfall von dem der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021 (1 BvR 2656/18 u.a.) zum Rechtsschutz gegen unzureichende Klimaschutzmaßnahmen zugrundeliegenden Fall. Dort hat das Bundesverfassungsgericht eine Beschwerdebefugnis insoweit bejaht, als es die Verletzung der Grundrechte der Beschwerdeführenden für möglich gehalten hat. Eine solche Möglichkeit besteht aus den genannten Gründen im Streitfall nicht.
Vorinstanz:
Bundespatentgericht – Urteil vom 5. Oktober 2021 – 3 Ni 31/19
Quelle: Bundesgerichtshof, Pressemitteilung vom 21. Juni 2022