Der Bundesgerichtshof hat über die Revision einer weiteren „IS-Rückkehrerin“ entschieden. Das Oberlandesgericht Hamburg hatte die 32-Jährige zweier Fälle der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland, davon in einem Fall in Tateinheit mit Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht, schuldig gesprochen. Es hatte sie deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das Rechtsmittel der Angeklagten hat zur Änderung des Schuldspruchs dahin geführt, dass sie wegen – lediglich eines Falls – mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland in Tateinheit mit Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht verurteilt worden ist, sowie zur Änderung des Strafausspruchs dahin, dass gegen sie auf eine (Einzel-)Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten – anstatt der entsprechenden Gesamtstrafe – erkannt worden ist. Im Übrigen hat das angefochtene Urteil revisionsgerichtlicher Nachprüfung standgehalten. 

1. Nach den vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen reiste die Angeklagte im März 2014 mit ihrer im Januar 2013 geborenen Tochter von der Türkei in das syrische Bürgerkriegsgebiet aus. Sie begab sich mit der Einjährigen in die von der ausländischen terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS) kontrollierte Stadt Rakka. Dort traf sie ihren Ehemann, den Kindsvater, der zwischenzeitlich dem IS beigetreten war, bezog mit der Familie eine Wohnung und schloss sich ebenfalls der Organisation an. Während er dem IS in herausgehobener Stellung als Medienbeauftragter und Kämpfer diente, übernahm sie die ihr von der Vereinigung als Frau zugedachte Rolle der Haushaltsführung und – auch ideologischen – Kindererziehung. Sie unterwarf sich den Regeln und Befehlen der Organisation. Der IS alimentierte sie hierfür mit einem regelmäßigen, zu Händen des Ehemanns entrichteten Zuschuss. Ab Sommer 2015 war Rakka fortlaufend Luftangriffen ausgesetzt. Im September 2015 tötete eine Drohne den Ehemann. Daraufhin erhielt die Angeklagte ein Witwengeld und wurde mit Sachspenden unterstützt. Ende 2015 ehelichte sie gemäß den Vorgaben der Vereinigung nach islamischem Ritus einen aus Tunesien stammenden, versehrten IS-Kämpfer. Auch ihm führte sie den Haushalt. Die Familie erhielt finanzielle Zuwendungen durch die Organisation. Nachdem sich die Angeklagte hatte scheiden lassen und als sich abzeichnete, dass Rakka noch intensiver angegriffen wird, zog sie mit ihren mittlerweile drei Kindern in die verbliebene IS-Hochburg Mayadin. Dort verblieb sie mit ihnen bis August 2017. 

2. Das Oberlandesgericht hat auf der Grundlage dieser Feststellungen eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB) sowie – zu Lasten der nach Syrien verbrachten Tochter – wegen Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht (§ 171 Variante 1 StGB) angenommen. Die Konkurrenzen hat es im Einklang mit der seit dem Jahr 2015 geltenden Rechtsprechung des beim Bundesgerichtshof für Staatsschutzsachen zuständigen 3. Strafsenats dahin bewertet, dass zwei tatmehrheitliche Fälle (§ 53 Abs. 1 StGB) der mitgliedschaftlichen Beteiligung vorliegen, von denen einer mit der Fürsorge- und Erziehungspflichtverletzung in Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB) steht. 

3. Der 3. Strafsenat hat diese Rechtsprechung aufgegeben. Er hat entschieden, dass der Tatbestand der mitgliedschaftlichen Beteiligung alle Betätigungen des Mitglieds für die terroristische (oder kriminelle) Vereinigung grundsätzlich zu einer einzigen materiellrechtlichen Tat verbindet. Diese rechtliche Handlungseinheit umfasst mithin nicht nur die Beteiligungsakte, die anderenfalls straflos wären, sondern grundsätzlich auch solche, die noch ein weiteres Strafgesetz verletzen. Die anderen Gesetzesverstöße werden durch die mitgliedschaftliche Beteiligung zu Tateinheit verklammert. Der 3. Strafsenat hat den Schuldspruch dementsprechend geändert. Die mit dem angefochtenen Urteil verhängte Gesamtfreiheitsstrafe hat er als Einzelstrafe aufrechterhalten. Denn es ist auszuschließen gewesen, dass das Oberlandesgericht bei zutreffender Beurteilung der Konkurrenzen auf eine geringere Einzelstrafe erkannt hätte. Der Senat hat sich zudem zu den weiteren Auswirkungen der geänderten Rechtsprechung geäußert. 

Urteil vom 14. November 2024 – 3 StR 189/24

Vorinstanz: 

OLG Hamburg – 4 St 2/23 – Urteil vom 7. Februar 2024

(c) BGH, 14.11.2024

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