Das Landgericht Verden hat der BSE Strom- und Erdgas GmbH per einstweiliger Verfügung verboten, Preiserhöhungen mit einer Frist von weniger als einem Monat anzukündigen. Der Stromversorger darf außerdem keine Preiserhöhungsschreiben mehr versenden, ohne darin die vor und nach der Anpassung geltenden Preise nach den einzelnen Preisbestandteilen aufzuschlüsseln. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hatte dem Unternehmen Rechtsbruch vorgeworfen, weil es drastische Preiserhöhungen viel zu kurzfristig angekündigt und mangelhaft darüber informiert hatte.
„Die aktuelle Situation am Strommarkt berechtigt Anbieter noch lange nicht, gesetzliche und vertragliche Regelungen für Preiserhöhungen einfach zu missachten“, sagt Kerstin Hoppe, Rechtsreferentin beim vzbv. „Stromversorger müssen ihre Kundinnen und Kunden über geplante Preiserhöhungen so informieren, dass sie prüfen können, ob die Erhöhung berechtigt ist. Außerdem müssen sie ausreichend Zeit haben, zu einem möglicherweise günstigeren Anbeiter zu wechseln, bevor die neuen Preise wirksam werden.“
Strompreis teilweise vervierfacht
BSE hatte in Kundenanschreiben massive Preiserhöhungen wegen gestiegener Beschaffungskosten angekündigt. So sollte ein Kunde künftig einen Arbeitspreis von 99,87 Cent pro Kilowattsunde zahlen – mehr als doppelt so viel wie zuvor. In einem andern Fall sollte der Preis sogar um mehr als das Vierfache von 21,66 auf 97,93 Cent pro Kilowattstunde steigen.
Betroffene Kund:innen waren nicht nur über die saftige Preiserhöhung, sondern auch über deren kurzfristige Ankündigung verärgert. Die neuen Preise sollten schon ab dem 16. September 2022 gelten, obwohl die Schreiben erst am 5. September 2022 versandt wurden. Ein Umstand, den die Verbraucherzentrale Niedersachsen ebenfalls gerügt hat. Darüber hinaus blieb unklar, wie sich der neue Arbeitspreis im Vergleich zum alten zusammensetzt.
Gesetzliche Ankündigungsfrist missachtet
Nach Auffassung des vzbv sind die Preiserhöhungen unwirksam und das Vorgehen des Unternehmens ein klarer Rechtsbruch. Nach dem Energiewirtschaftsgesetz sind Haushaltskunden über eine geplante Preisänderung spätestes einen Monat vorher zu unterrichten. Selbst die Geschäftsbedingungen des Stromversorgers sahen eine Frist von mindestens vier Wochen vor. Tatsächlich wurden die Kund:innen je nach Postlaufzeit nur etwa sieben bis zehn Tage im Voraus über die massiven Preiserhöhungen informiert.
Preiserhöhung war nicht nachvollziehbar
Darüber hinaus wirft der vzbv dem Unternehmen vor, die gesetzlichen Transparenzanforderungen an Preiserhöhungen zu missachten. Nach dem Gesetz müssen Stromunternehmen über Preisänderungen einfach und verständlich informieren und dabei auf Anlass, Voraussetzungen und Umfang der Preisänderungen hinweisen. Das erfordert nach der Rechtsprechung, dass auch die einzelnen Kostenbestandteile des Strompreises vor und nach der Preisanpassung gegenüberzustellen sind. Neben Beschaffungs- und Vertriebskosten sind das die verschiedenen Steuern und Umlagen sowie die Entgelte an die Netzbetreiber. Nur so lässt sich überprüfen, ob eine Preiserhöhung berechtigt ist – oder unzulässigerweise dazu dient, die Gewinnspanne des Anbieters zu erhöhen.
Der vzbv sieht die Gefahr, dass Verbraucher:innen durch die kurzfristige Ankündigung und die intransparente Darstellung überrumpelt und dazu verleitet werden, eine möglicherweise unberechtigte Preiserhöhung ungeprüft zu akzeptieren.
Die rechtliche Einschätzung des vzbv treffe zu, entschied das Landgericht Verden. Das Gericht gab dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen das Unternehmen in vollem Umfang statt.
Rechtsdurchsetzung in der Energiekrise
Auch andere Energieanbieter fallen durch fragwürdige Preiserhöhungen auf. Der vzbv geht in der aktuellen Energiekrise verstärkt dagegen vor. Betroffene können im Rahmen einer Umfrage auf musterfeststellungsklagen.de Erfahrungen mit ihren Versorgern schildern. Nach Auswertung der Beschwerden können sich daraus weitere Verfahren ergeben.
Quelle: Verbraucherzentrale Bundesverband, Pressmitteilung vom 25. Oktober 2022