Vom 21. bis zum 23.9.2022 fand in Bremen die Tagung der Präsidentinnen und Präsidenten der Verwaltungsgerichtshöfe und Oberverwaltungsgerichte der Länder sowie des Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts statt. Dabei wurden die folgenden Beschlüsse gefasst:

I. Zur Verstetigung des Pakts für den Rechtsstaat

Die Präsidentinnen und Präsidenten der Verwaltungsgerichtshöfe und Oberverwaltungsgerichte der Länder und des Bundesverwaltungsgerichts begrüßen die Vereinbarung im Koalitionsvertrag auf Bundesebene, den Pakt für den Rechtsstaat gemeinsam mit den Ländern zu verstetigen und ihn um einen Digitalpakt für die Justiz zu erweitern. Sie halten das derzeitige Angebot des Bundesministers der Justiz, den Ländern über mehrere Jahre verteilt insgesamt bis zu 200 Millionen Euro für einzelne Digitalisierungsprojekte zur Verfügung zu stellen, für nicht ausreichend, um die Leistungs- und Zukunftsfähigkeit der Justiz zu sichern. Es bleibt weit hinter der Ankündigung im Koalitionsvertrag zurück.


Die Beschleunigung von Vorhaben, die der Energie- und Verkehrswende und dem Klimaschutz dienen, und die wieder ansteigenden Migrationsbewegungen sind gesellschaftliche Herausforderungen, bei deren Bewältigung der Verwaltungsgerichtsbarkeit eine wichtige Rolle zukommt. Hierfür bedarf es einer bedarfsgerechten Personalausstattung und einer Technik, die sich stets auf dem neusten Stand befindet. Die Präsidentinnen und Präsidenten sind daher der Auffassung, dass ein neuer „Pakt für den Rechtsstaat“ sich nicht auf einzelne IT-Projekte beschränken darf, sondern eine auskömmliche Finanzierung der Justiz dauerhaft und verlässlich sicherstellen muss. Er muss sich insbesondere auch auf die Personalkosten erstrecken.

II. Zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung von verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Infrastrukturbereich

Die Präsidentinnen und Präsidenten der Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe der Länder und der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts begrüßen das Ziel, besonders bedeutsame Infrastrukturvorhaben zu beschleunigen.


Der Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz beschränkt sich im Wesentlichen auf Änderungen der VwGO. Er kann daher von vornherein nur einen begrenzten Beitrag zur Beschleunigung solcher Infrastrukturvorhaben leisten. Eine Vereinfachung des materiellen Rechts und des von den Behörden zu beachtenden Verfahrensrechts auf nationaler und auf europäischer Ebene wäre zusätzlich dringend erforderlich.


Ein erheblicher Teil der im Referentenentwurf vorgesehenen Regelungen wird zu einem Mehraufwand für die Richterinnen und Richter führen. Dies gilt zum Beispiel im Hinblick auf die Prognose, ob ein Mangel „offensichtlich in absehbarer Zeit behoben sein wird“ (§ 80c Abs. 2 Satz 1 VwGO-E), bei der Bestimmung der für die Mangelbeseitigung angemessenen Frist (§ 80c Abs. 2 Satz 3 VwGO-E) oder bei der Beurteilung der „Reversibilität“ von Maßnahmen zur Umsetzung des Vorhabens und der Festsetzung der vom Vorhabenträger ggfs. zu leistenden Sicherheit (§ 80c Abs. 3 VwGO-E). Die gesetzgeberischen Vorgaben für die Bildung und Besetzung der Planungssenate (§ 188b VwGO-E) erschweren denn effektiven Personaleinsatz und sind kontraproduktiv.


Der Gesetzentwurf begegnet zudem verfassungsrechtlichen und unionsrechtlichen Bedenken. Namentlich ist Aufgabe der Gerichte die nachgängige Verwaltungskontrolle und nicht die im Gesetzentwurf vorgesehene Abgabe von Empfehlungen zur Fehlerkorrektur. Die im Referentenentwurf als „Soll-Vorgabe“ vorgesehene Durchführung eines frühen Erörterungstermins überschätzt die Möglichkeiten einer gütlichen Beilegung und Verfahrenslenkung in komplexen Verfahren. Sie kann im Übrigen nur dann zur Verfahrensbeschleunigung beitragen, wenn die Berichterstatterin oder der Berichterstatter in der Lage ist, sich unmittelbar nach Eingang des Verfahrens inhaltlich vertieft in den Streitstoff einzuarbeiten. Wenn den Gerichten nicht zusätzliche personelle und sachliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, kann die mit dem Gesetzentwurf angestrebte Beschleunigung verwaltungsgerichtlicher Verfahren nicht erreicht werden.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Bremen, Pressemitteilung vom 24. September 2022

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