Der Europäische Gerichtshof (EuGH) erklärt die im Telekommunikationsgesetz vorgesehene Vorratsdatenspeicherung in Deutschland für mit dem Unionsrecht unvereinbar. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) begrüßt dieses Urteil, das die Position der deutschen Anwaltschaft bestätigt. Einer anlasslosen Vorratsdatenspeicherung wird damit eine klare Absage erteilt. Vorstellbar bleibt eine anlassbezogene Nachfolgeregelung, zum Beispiel in Form des „Quick-Freeze-Verfahrens“.
„Die anlasslose Vorratsdatenspeicherung steht dem – auch durch die EU-Grundrechtecharta garantierten – Recht auf informationelle Selbstbestimmung entgegen“, so Rechtsanwalt Dr. David Albrecht aus dem Ausschuss Gefahrenabwehrrecht des DAV. „Das stellte der EuGH bereits in mehreren vorangegangenen Entscheidungen zu Gesetzen in anderen Unionsländern fest. Mit dem heutigen Urteil bleibt der Gerichtshof seinem bisherigen Kurs treu.“ Der DAV spricht sich seit Langem gegen die anlasslose Vorratsdatenspeicherung aus. „Wir sehen uns erneut bestätigt“, so Albrecht weiter. Die anlasslose Vorratsdatenspeicherung sei damit nach Jahren der Debatte endlich Geschichte.
Der Europäische Gerichtshof hatte sich anlässlich einer Klage der SpaceNet AG und der Telekom Deutschland GmbH gegen die Bundesnetzagentur mit der Rechtmäßigkeit der Vorschrift im deutschen Telekommunikationsgesetz (TKG) beschäftigt. Bereits 2021 hat der EuGH-Generalanwalt seine Ansicht geäußert, die entsprechenden Passagen des TKG seien unvereinbar mit dem Unionsrecht, da sie einen scherwiegenden Eingriff in die Grundrechte auf Familien- und Privatleben sowie den Schutz personenbezogener Daten darstellen. Dem folgten nun auch die Richter des EuGH.
Nachfolgeregelung in engen Grenzen
Eine Vorratsdatenspeicherung ist nach der geltenden Rechtsprechung also lediglich anlassbezogen innerhalb enger Grenzen möglich. Voraussetzung für das sogenannte „Quick-Freeze-Verfahren“ sind die Anordnung durch eine Behörde, eine wirksame gerichtliche Kontrolle sowie ein festgelegter Zeitraum, für den die Verkehrs- und Standortdaten zu sichern sind. Die Speicherung erfolgt dabei nur für die Zukunft, ein rückwirkender Zugriff auf vorhandene Daten bleibt ausgeschlossen. Eine Nachfolgeregelung müsse diese Vorgaben erfüllen, so der DAV.
Der DAV sieht eine vollumfassende Strategie für die digitale Gefahrenabwehr als notwendig an, um den durch technischen Fortschritt und Digitalisierung stetig anwachsenden Überwachungsmöglichkeiten gerecht zu werden. „Die Debatte über die Vorratsdatenspeicherung führt uns vor Augen, dass wir auf eine Überwachungsgesamtrechnung angewiesen sind“, konstatiert Albrecht.
Die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme kann laut Bundesverfassungsgericht nicht lediglich isoliert erfolgen, sondern muss das Zusammenspiel mit anderen Überwachungsmaßnahmen berücksichtigen. Dazu fehlt es jedoch an einem ganzheitlichen Überblick über die verschiedenen Befugnisse zur Datenerhebung ebenso wie an einem System zum Datenaustausch zwischen den verschiedenen Behörden auf Landes-, Bundes- und europäischer Ebene.
Quelle: Deutscher Anwaltverein e.V., Pressemitteilung vom 20. September 2022