Bei einem unwirksamen Mietvertrag zwischen einer 15-jährigen Schwangeren und deren Mutter ist das zuständige Jobcenter nicht verpflichtet, die vereinbarte Miete der Tochter vorläufig zu übernehmen. Dies hat das Sozialgericht Osnabrück mit Beschluss vom 25.08.2022 in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren entschieden (Aktenzeichen S 16 AS 212/22 ER).
Die 15-jährige Antragstellerin (im Verfahren vertreten durch ihre Eltern) bewohnt gemeinsam mit ihren Eltern und ihrer Schwester ein Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 151 m², das im Eigentum ihrer Eltern steht. Sie beantragte beim zuständigen Jobcenter Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende („Hartz IV“) und verwies darauf, dass sie schwanger sei. Den Antragsunterlagen beigefügt war ein Mietvertrag zwischen Mutter und Tochter (diese vertreten durch ihren Vater), datierend auf den Tag der Antragstellung, mit dem der Tochter ein 23 m² großes Zimmer des Einfamilienhauses sowie Küche und Bad zur Mitbenutzung zu einem Mietzins von 280,00 € zuzüglich Nebenkostenpauschale in Höhe von 100,00 € monatlich vermietet werden. Nach dem Mietvertrag ist der Mietzins durch die Überweisung des Jobcenters zu entrichten.
Das Jobcenter hat der Tochter Grundsicherungsleistungen bewilligt, als Kosten der Unterkunft aber lediglich deren Anteil an den Betriebs- und Heizkosten des Hauses in Höhe von 102,00 € monatlich berücksichtigt. Den Mietvertrag hielt die Behörde für rechtlich unwirksam. Demgegenüber hat die 15-Jährige gegenüber Jobcenter und Gericht geltend gemacht, dass der Mietvertrag wirksam sei und es letztlich nicht auf die Wirksamkeit des Mietvertrages nach mietvertraglichen Vorschriften ankomme.
Das Sozialgericht hat die Auffassung des Jobcenters bestätigt und die vorläufige Gewährung höherer Unterkunftskosten an die Tochter abgelehnt. Dabei hat das Gericht offengelassen, ob ein sogenanntes Scheingeschäft (§ 117 BGB) vorliegt, jedoch auf die besonderen Umstände hingewiesen: Dass Eltern mit ihrer 15-jährigen Tochter einen Mietvertrag abschließen, erscheine sehr unüblich. Zudem wurde erst nach Kenntnis von der Schwangerschaft der schriftliche Vertrag geschlossen, der Mietzins liegt vergleichsweise hoch, und es wurde bereits im Vertrag eine Zahlung an das Jobcenter vereinbart, so dass naheliege, dass der Vertrag vorrangig geschlossen worden sei, um Leistungen zu erlangen. Gegen einen Rechtsbindungswillen der Tochter und ihrer Eltern spreche zudem die Konstellation, dass wegen der Regelung des § 9 Abs. 3 SGB II das Einkommen der Eltern bei einer schwangeren Minderjährigen nicht angerechnet wird. Die bisher vorgelegten Belege für Mietzinsüberweisungen hat das Gericht nicht für aussagekräftig gehalten; die Einzelheiten werden im noch anhängigen Klageverfahren der Tochter zu klären sein.
Schließlich hat das Gericht auf verschiedene Probleme im Zusammenhang mit dem vorgelegten Mietvertrag hingewiesen. So sei schon zweifelhaft, ob allein die Mutter den Mietvertrag schließen konnte, da das Haus offenbar im gemeinsamen Eigentum der Eltern steht. Der Mietvertrag sei aber insbesondere aufgrund der Minderjährigkeit der Tochter nach § 107 BGB schwebend unwirksam, und der Vater habe die Tochter zumindest bei einem Vertrag mit seiner Ehefrau nicht wirksam vertreten können (§ 1629 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB).
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.
Quelle: Sozialgericht Osnabrück, Pressemitteilung vom 19. September 2020