Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza hat heute in Hannover die Strafverfolgungsstatistik für das Jahr 2021 vorgestellt. Die Zahlen zu den rechtskräftig verurteilten Personen setzen den Trend der vergangenen Jahre fort: In Niedersachsen werden immer weniger Menschen vor einem Strafgericht verurteilt. Im Vergleich zum Vorjahr sind die rechtskräftigen Verurteilungen um knapp sechs Prozent auf 62.474 zurückgegangen (2020: 66.479). Im Zehn-Jahres-Vergleich beträgt der Rückgang sogar 18 Prozent (2011: 75.919). Die Zahl der Freisprüche ging im Jahresvergleich ebenfalls leicht zurück, sie sank von 2.785 auf 2.531.

Justizministerin Barbara Havliza: „Die Entwicklung der vergangenen zwei Jahre hat ganz sicher mit der Corona-Pandemie zu tun. Durch die Kontaktbeschränkungen gab es weniger Alltags-Kriminalität. Und wo weniger geschlagen und gestohlen wird, müssen am Ende auch weniger Menschen verurteilt werden. Zugleich sehen wir bei bestimmten anderen Delikten einen Anstieg an Verurteilungen. Das muss uns alarmieren! Diese falsche Entwicklung in unserer Gesellschaft beobachten wir insbesondere bei der Verbreitung von Kinderpornographie, Beleidigungen, Gewalt gegenüber Amtsträgern und auch illegale Autorennen. Hierauf werden wir weiterhin sehr gezielt reagieren.“

Allgemeine Daten: Einen traditionell deutlichen Unterschied gibt es zwischen den Geschlechtern: Vor den Strafgerichten in Niedersachsen werden nach wie vor ganz überwiegend Männer verurteilt. Von den 62.474 Verurteilten im Jahr 2021 waren 82,5 Prozent männlich. 78,6 Prozent (49.125) der 62.474 Personen wurden zu einer Geldstrafe verurteilt; rund 14 Prozent zu einer Freiheitsstrafe (9.001). Eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung wurde in 2.656 Fällen verhängt (4,2 Prozent). Der Anteil der Nichtdeutschen oder Staatenlosen unter den Verurteilten beträgt 31,6 Prozent (2020: 30,4 Prozent); im Zehn-Jahres-Vergleich ist er um 15 Prozentpunkte gestiegen. 

Bei den Straftaten gegen das Leben (z.B. Mord, Totschlag) gab es im Jahr 2021 insgesamt 128 Verurteilungen – vier Verurteilungen mehr als im Vorjahr. Die Zahl der Verurteilungen wegen Mordes ist mit 13 gegenüber 21 Verurteilungen im Vorjahr deutlich zurückgegangen. Allerdings gibt es mit 38 Verurteilungen wegen Totschlags im Jahr 2021 deutlich mehr Verurteilungen als 2020 (26). Beide Delikte stehen in einem inhaltlichen Zusammenhang, da es eine Frage des Einzelfalls ist, ob durch eine Tat ein Mordmerkmal erfüllt wurde, so dass sich bei diesen beiden Delikten die Zu- und Abnahmen tendenziell die Waage halten.

Rückgänge

Stark rückläufig sind erneut die Verurteilungen bei Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit (z.B. Körperverletzungsdelikte). Der Rückgang im Jahr 2021 (5.246) im Vergleich zu 2020 (6.057) beträgt rund 13 Prozent, im Vergleich zu 2011 (9.143) beträgt er sogar rund 41 Prozent. 

Ebenfalls rückläufig sind die Verurteilungen aufgrund sog. Vermögensdelikte. Bei Diebstahl und Unterschlagung sind die Zahlen im Vergleich zu 2020 um rund 20 Prozent gesunken (10.181 auf 8.173), im Vergleich zu 2011 (14.111) sogar um rund 48 Prozent. Auffällig ist auch der Rückgang bei den Verurteilungen wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls. Diese sind im Vergleich zum Jahr 2020 um 101 Verfahren auf 186 gesunken. 

Anstiege

Ein langjähriger, stetiger Anstieg der Verurteilungen ist bei den Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu erkennen. Von 2011 (633) auf 2021 (914) beträgt die Zunahme der Verurteilungen knapp 31 Prozent. Deutlich mehr Verurteilungen gab es mit 67 im Jahr 2021 wegen einer Vergewaltigung(2020: 52). Besonders deutlich ist der Anstieg bei den Verurteilungen wegen Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften. Im Jahr 2020 waren es hier 219 Verurteilungen, im Jahr 2021 insgesamt 297, ein Anstieg um knapp 26 Prozent.

Justizministerin Havliza: „Der Anstieg bei den Verurteilungen im Bereich Kinderpornographie ist nicht überraschend. Die Zahl der Ermittlungsverfahren steigt seit Jahren. Vor allem aus den USA erreichen uns immer wieder neue Verdachtsmeldungen und Hinweise. Die immer einfachere Verbreitung von Kinderpornographie ist eine der dunkelsten Kehrseiten der Digitalisierung. Wir dürfen uns nichts vormachen: Die Verfahren in diesem Bereich werden weiter zunehmen. Und wir müssen und werden mit Personal, Technik und umfassender Strafverfolgung dagegenhalten!“ 

Eine sich fortsetzende Entwicklung sind zudem die zunehmenden tätlichen Angriffe auf Vollstreckungsbeamte. Seit Mitte 2017 gibt es im Strafgesetzbuch den neuen § 114 StGB. Bei den Verurteilungen ist seitdem immer wieder ein Anstieg zu beobachten: von 234 Verurteilungen in 2018 auf 701 in 2021, ein Anstieg von rund 300 Prozent. Havliza: „Übergriffe auf Polizisten, Rettungskräfte oder Gerichtsvollzieher sind ein gesellschaftliches Problem. Diesem müssen wir auch in der Präventionsarbeit begegnen. Der aktuelle Doppelhaushalt sieht jährlich 250.000 € für die Förderung von Projekten zur Prävention von Hass und Gewalt gegen kommunale Amts- und Mandatsträger vor.“

Ein stetiger Anstieg ist auch bei den Beleidigungsdelikten zu erkennen. Im Vergleich zu 2020 (2.588) gibt es in 2021 (2.692) einen Anstieg um knapp vier Prozent, im Vergleich zu 2011 (2.182) sind es rund 19 Prozent. Havliza: „Zu berücksichtigen ist hier die konsequente Strafverfolgung von Hate Speech im Netz durch die Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet bei der Staatsanwaltschaft Göttingen. Je mehr Präsenz die Strafverfolger im Netz zeigen, desto mehr kommt auch bei den Gerichten an. Die Zahlen bei der Zentralstelle haben sich zuletzt verfünffacht.“

Nach wie vor verursachen Straftaten im Straßenverkehr einen Großteil der Arbeit der Justiz (Trunkenheitsfahrten etc.). Hier gab es hier im vergangenen Jahr 15.074 Verurteilungen, ca. vier Prozent weniger als 2020 (15.654). Einen deutlichen Anstieg gibt es allerdings erneut bei den Verurteilungen aufgrund des Vorwurfs des verbotenen Kraftfahrzeugrennens. Hier stiegen die Verurteilungen im Vergleich zu den Vorjahren auf nunmehr 86 an. Das ist ein Zuwachs von knapp 43 Prozent gegenüber 2020 (49) und der 14-fache Wert im Vergleich zu 2018, dem Jahr des Inkrafttretens der Vorschrift. 

Nahezu gleich geblieben ist die Zahl der Verurteilungen nach dem Betäubungsmittelgesetz, also der sog. Drogenkriminalität. Hier wurden im Jahr 2021 insgesamt 5.545 Personen verurteilt, 2020 waren es 5.526.  

Weitere Informationen zur Strafverfolgungsstatistik

Die Strafverfolgungsstatistik wird jährlich erhoben. In der Statistik wird die Tätigkeit der Strafgerichte erfasst, nachdem Anklage erhoben wurde. Damit sind diejenigen Taten nicht berücksichtigt, bei denen keine Tatverdächtigen ermittelt werden konnten. Ebenso wenig fließen Zahlen zu Taten ein, bei denen das Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaften eingestellt wurde. Insofern kann die Strafverfolgungsstatistik kein umfassendes Bild der Kriminalität vermitteln. Sie darf nicht mit der Kriminalstatistik der Polizei verwechselt werden.

Quelle: Niedersächsisches Justizministerium, Pressemitteilung vom 15. September 2022

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